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Windturbinen auf dem Gotthard-Pass

Windkraftanlagen auf dem Gotthardpass. Der Windpark Gotthardpass wurde im Oktober 2020 eingeweiht und liegt an der Grenze zwischen dem Kanton Tessin und dem Kanton Uri, im Leventinatal. Bild: Getty Images

Klima & Energie

Schafft die Schweiz die Energiewende mit Windenergie – und zu welchem Preis?

Um die Energiewende zu schaffen, bräuchte die Schweiz rund 760 Windturbinen. Es könnten aber auch weniger sein. Dafür müssten aber wertvolle Landwirtschaftsflächen beansprucht werden, wie eine Studie zeigt.

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Schafft die Schweiz die Energiewende mit Windenergie – und zu welchem Preis?

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Erneuerbare Energien sind weiter auf dem Vormarsch. Im Jahr 2022 erzeugten Solar- und Windenergie 22 Prozent des in Europa erzeugten StromsExterner Link. Damit übertrafen sie erstmals den Anteil von fossilem Gas (20 Prozent). Der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung betrug rund 17 Prozent.

Auch in der Schweiz verzeichnete die Windkraft einen neuen Rekord. Die Stromproduktion war fünf Prozent höher als im Jahr 2021, so der Branchenverband Suisse EoleExterner Link. Allerdings ist das erst ein verschwindend kleiner Teil an der Gesamtproduktion – die Schweiz ist noch weit von ihrem Ziel entfernt.

Derzeit produzieren die 41 bestehenden Windkraft-Anlagen in der Schweiz rund 0,15 Terawattstunden (TWh) pro Jahr, was 0,3 Prozent des Stroms entspricht. Gemäss der Energiestrategie 2050 des Bundes müsste die Produktion jedoch 4,3 TWh erreichen und rund 7 Prozent des Stroms liefern. Wie soll dies erreicht werden?

windpower-ger-data.jpg Quelle: Kai Reusser / swissinfo.ch

300 Windturbinen in den Alpen

Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) kommt zum Schluss, dass die Schweiz rund 760 Windturbinen benötigt, um das Ziel für 2050 zu erreichen. Das ist fast das Zwanzigfache der heutigen Anzahl.

Die Studie zeigt auch auf, in welchen Gebieten dies am ehesten der Fall sein könnte. Rund 300 Anlagen müssten in den Walliser und Bündner Bergen gebaut werden, 260 im Mittelland und der Rest in den Voralpen.

Für ihre Analyse stützten sich die ETHZ-Forschenden auf die geltende Gesetzgebung. Diese verbietet zum Beispiel Windturbinen in Wäldern oder landwirtschaftlichen Fruchtfolgeflächen. Sie berücksichtigten auch die Tatsache, dass Turbinen im Flachland höher und leistungsfähiger sein können als in höheren Lagen.

Windkraftanlagen in den Alpen

Quelle: Reto Spielhofer / ETH Zurich

Optimale Standorte für Windkraftanlagen gemäss heutiger Gesetzgebung. Orange Kreise: grosse Windturbinen im Mittelland. Violette Quadrate: mittlere Anlagen in den Voralpen und im Jura. Hellblaue Dreiecke: kleinere Anlagen in den Alpen.

Windparks auf Äckern?

Die Zahl der Windparks könnte auch kleiner sein, heisst es in der Studie. Dazu müssten aber die raumplanerischen Vorschriften gelockert werden.

Würden die besonders windreichen Fruchtfolgeflächen im Mittelland genutzt, bräuchte die Schweiz nur rund 460 Anlagen, heisst es in der Analyse. Diese Flächen machen rund 40 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus.

Durch die Nutzung dieser hochwertigen Böden im Unterland «müssten wir im Alpenraum deutlich weniger Windkraftanlagen bauen», wird Adrienne Grêt-Regamex, Professorin für Landschafts- und Umweltplanung an der ETHZ und Mitautorin der Studie, in einer Mitteilung zitiert.

Die Kosten für Bau und Betrieb von Windkraftanlagen seien in den Bergen tendenziell höher als im Flachland. Zudem «empfindet die Schweizer Bevölkerung Windkraftanlagen in unberührten alpinen Naturlandschaften als besonders störend», so Grêt-Regamex.

Was sagt die Landwirtschaft?

Die Schweizer Landwirtschaft begrüsst die Idee, Windenergie auf Flächen zu produzieren, die für die Ernährungssicherheit als entscheidend gelten.

«Der Druck auf diese Schlüsselflächen ist bereits heute sehr hoch. Da die Windenergie aber eine wichtige Ergänzung im Strommix darstellt und Windturbinen wenig Fläche beanspruchen, können einzelne Projekte sinnvoll sein», schreibt Hannah von Ballmoos-Hofer, Leiterin Energie und Umwelt beim Schweizerischen Bauernverband (SBV), in einem E-Mail an SWI swissinfo.ch. Jeder Fall müsse aber individuell beurteilt werden.

«Die Bauern und Bäuerinnen sind bereit, einen Beitrag zur Energieproduktion zu leisten», sagt von Ballmoos-Hofer. Bei einem Windpark müssten sie aber angemessen entschädigt werden.

Wenn die Schweizer Bevölkerung generell und in den Alpen möglichst wenige Windräder wolle, müssten grosse und sichtbare Anlagen dort gebaut werden, wo der Wind am stärksten weht, sagt Grêt-Regamex.

«Wenn wir hingegen dem Schutz der Fruchtfolgeflächen Priorität einräumen, werden wir nicht umhin kommen, in den Alpen zu bauen», sagt sie.

Windenergie-Offensive im Parlament

Die Windenergie ist in der Schweiz noch wenig verbreitet. Im Vergleich zum Nachbarland Deutschland beispielsweise verfügt das Land nicht über so grosse, unbewohnte und flache Flächen.

Zudem ist der Bau von Windkraftanlagen in den Alpen umstritten, Umwelt- und Landschaftsschutzverbände wehren sich gegen Projekte in unberührten Bergregionen. Das sieht auch die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung so, wie eine Umfrage im Oktober 2022Externer Link gezeigt hat.

Nach den Engpässen bei der Stromversorgung im vergangenen Jahr will die Schweizer Politik den Ausbau der Windenergie jedoch entscheidend vorantreiben.

Im März hat der Nationalrat beschlossen, den Bau von Windparks zu beschleunigen und den Spielraum für Einsprachen einzuschränken.

Ziel ist es, relativ rasch rund 150 Windturbinen zu bauen und damit die inländische Stromproduktion im importabhängigen Winter zu erhöhen.

Luigi Jorio, «SWI swissinfo.ch» (26.04.2022)

Hier publiziert Sustainable Switzerland kuratierte Inhalte von SWI swissinfo.ch.

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