Wie nachhaltig ist die 13. AHV-Rente?
Eine 13. AHV-Rente würde eindeutig die Generationengerechtigkeit verletzen, sie ist daher nicht nachhaltig. Die heutigen Rentnerinnen und Rentner haben selbst keine Beiträge für eine 13. Rente geleistet. Sie würden mehr beziehen, als sie je eingezahlt haben. Das ist nicht in Ordnung. Mir ist bewusst, dass steigende Kosten und die Teuerung vielen Menschen Kummer bereiten. Aber ein Giesskannenprinzip wie die 13. AHV-Rente wäre unverantwortlich und fatal. Ihre Finanzierung ist zudem unklar. Sie würde zu grossen Verteilkämpfen führen, gerade was den Teil betrifft, den der Bund übernimmt. Menschen, die Schwierigkeiten haben, allein von der AHV-Rente zu leben, können Ergänzungsleistungen beantragen. Genau dafür ist dieses wichtige Instrument da.
Anfang März wird über die Initiative der Jungfreisinnigen entschieden, die bis 2032 für Männer und Frauen eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 66 vorsieht. Wie trägt das zur Sicherung der AHV bei?
Ein höheres Rentenalter ist aus unserer Sicht eine sehr gute und nachhaltige Lösung. Sie schlägt drei Fliegen mit einer Klappe: Wenn Männer und Frauen länger arbeiten, zahlen sie erstens länger in die Sozialwerke ein. Zweitens generieren sie in der Zeit mehr Steuersubstrat. Drittens beziehen sie ihre Rente später. Kosten werden dadurch gesenkt, die AHV-Einnahmen erhöht.
Nach 2032 würde das Rentenalter automatisch an die sich entwickelnde Lebenserwartung angepasst. Warum?
Die automatische Anpassung an die demografische Entwicklung verhindert einen zukünftigen Reformstau. Das ist clever und verhindert, dass wir immer wieder die gleichen Diskussionen führen. Das Rentenalter würde jeweils moderat angehoben. Fünf Jahre vorher würde man wissen, wie lange es noch bis zur Pensionierung dauert, damit man Nachfolgeplanungen und andere Vorbereitungen rechtzeitig angehen kann. Dabei könnte das Rentenalter auch nach unten gehen, falls die Lebenserwartung eines Tages sinken sollte.
Menschen, die in körperlich anspruchsvollen, weniger gut bezahlten Berufen wie in der Pflege oder auf dem Bau arbeiten: Ist für sie ein höheres Rentenalter realistisch?
Die Erhöhung des Rentenalters ist eine Grundstossrichtung, weil wir immer älter werden. Aber natürlich gibt es körperlich sehr anspruchsvolle Tätigkeiten, die früher auslaugen. Die Baubranche kennt bereits im Gesamtarbeitsvertrag ein Frühpensionierungsmodell, bei dem die Leute ab sechzig in Rente gehen können. Einige würden aber auch länger arbeiten wollen. Am Schluss ist die individuelle gesundheitliche Verfassung ebenfalls ausschlaggebend.
Gibt es flexible Lösungen?
Warum nicht neue Ideen wie die Lebensarbeitszeit prüfen? Zum Beispiel, indem man sagt, ein Arbeitsleben umfasst fünfzig Jahre. Hat jemand eine Lehre gemacht, sind diese fünfzig Jahre früher erreicht, als wenn jemand Mitte zwanzig aus dem Studium kommt. Wir würden gerne an solchen Möglichkeiten herumdenken.
Bereits ab fünfzig wird es schwieriger, eine Anstellung zu finden. Wie geht das mit einem höheren Rentenalter einher?
Man sollte davon wegkommen, dass es mit Karriere und Lohn immer weiter aufwärts gehen muss. Wir kennen heute auch die Bogenkarriere, bei der man früher Verantwortung abgibt und den Lohn entsprechend anpasst. Damit ältere Mitarbeitende im Arbeitsprozess bleiben, braucht es sicher alle Seiten: Verständnis und Unterstützung der Arbeitgebenden genauso wie die Eigenverantwortung der Arbeitnehmenden. Ausserdem: Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel sind wir auf die Älteren angewiesen. Es sind wertvolle Mitarbeitende mit Berufsund Lebenserfahrung. Wir haben grosses Interesse daran, dass sie erwerbstätig bleiben.
Wie sieht es mit den höheren Sozialabgaben für ältere Arbeitnehmende aus?
Noch dieses Jahr werden wir über die Reform der Beruflichen Vorsorge abstimmen. Dort geht es auch um die Entdiskriminierung der älteren Mitarbeitenden. Altersgutschriften sollen nicht mehr in vier Stufen ansteigen und Lohnabzüge immer höher werden. Mit 18 Prozent Lohnabzug werden heute ältere Arbeitnehmende unattraktiver. In Zukunft soll die Erhöhung nur noch in zwei Stufen erfolgen: bis 45 Jahre 9 Prozent Lohnabzug, ab 45 maximal 14 Prozent.
Wo steht die schweizerische Rentenreform, wie die Renteninitiative sie vorsieht, im europäischen Vergleich?
Sie ist mit einer Erhöhung auf 66 Jahre bis 2032 und anschliessender Verknüpfung mit der Lebenserwartung zurückhaltend. Viele europäische Länder denken bereits an ein höheres Rentenalter. Grossbritannien beispielsweise hat bereits 66 und will auf 67. Italien will von 62 auf 71, Deutschland von 65,7 auf 67. In Dänemark ist sogar ein Rentenalter von 74 angedacht.
Die Jüngeren wollen lieber weniger und flexibler arbeiten als mehr. Das nächste Problem für die AHV?
Ja, natürlich. Aber nicht bloss für die AHV, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger. Die Sozialwerke stützen auf Menschen ab, die arbeiten. Wenn jemand nicht arbeitet, führt das zu Beitragslücken und später zu Kürzungen bei der Rente. Dessen muss man sich bewusst sein. Deshalb sollte das Thema Sozialversicherung früh in die Bildung einfliessen. Was die Zuwanderung anbelangt, so helfen uns Arbeitskräfte aus EU und Drittstaaten hingegen, die Sozialwerke zu finanzieren und den Arbeitskräftemangel zu reduzieren.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Falls die Rentenaltererhöhung jetzt nicht durchkommt – was wir nicht hoffen –, wäre immerhin ein Zeichen gesetzt, dass etwas getan werden muss. 2026 steht die nächste AHV-Reform an. Wir wünschen der neuen Bundesrätin und dem Bundesamt für Sozialversicherungen, dass sie visionär denken und vorwärtsschauen. Nicht das bisher Erreichte auf den Kopf stellen, aber in grossen Kategorien denken und die Bevölkerung an unangenehme Themen wie ein höheres Rentenalter heranführen. Es wäre gut, wenn Gewerkschaften und linke Kreise dem offener, positiver und konstruktiver gegenüberstünden.