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Gesellschaft

13. AHV-Rente: Aus einem Marketing-Trick wird ein administratives Ärgernis

Der Bundesrat will die AHV-Initiative der Gewerkschaften nicht durch Erhöhung der Monatsrenten umsetzen, sondern durch einen jährlichen Zuschlag. Das eröffnet knifflige Fragen.

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13. AHV-Rente: Aus einem Marketing-Trick wird ein administratives Ärgernis

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«13. AHV-Rente»: Das war ein Marketing-Trick. Bei dieser Volksinitiative der Gewerkschaften ging es um eine Erhöhung der AHV-Renten um 8,3 Prozent. Doch das ist nicht so knackig auf Plakaten, und «Zuschlag von 10 Prozent» wäre eine exakte Wiederholung der Gewerkschaftsinitiative gewesen, die 2016 an der Urne gescheitert war. «13. AHV-Rente» klingt dagegen nach Neuem und für manche Bürger in Anlehnung an den 13. Monatslohn auch nach etwas Naheliegendem.

Das stand indes im Widerspruch zur Erzählung der verbreiteten Rentnerarmut. Wäre ein Zustupf dringend, müsste man für höhere Monatsrenten sein, statt die Rentner jeweils bis zum Jahresende warten zu lassen.

Nach dem Volks-Ja für diese Initiative kamen die Techniker im Bundesamt für Sozialversicherungen zum Schluss, dass die einfachste Umsetzung via Erhöhung der monatlichen AHV-Rente um 8,3 Prozent anzustreben ist. Auch aus Sicht der AHV-Ausgleichskassen ist dies die bevorzugte Variante. Das Bundesamt für Justiz gab mutig sein Plazet.

Verfassungsnähe contra Effizienz

Die neue Verfassungsnorm würde aber einen anderen Schluss nahelegen. Denn der Kernsatz lautet: «Bezügerinnen und Bezüger einer Altersrente haben Anspruch auf einen jährlichen Zuschlag in der Höhe eines Zwölftels ihrer jährlichen Rente.» – «Wäre eine monatliche Erhöhung gewollt gewesen, so hätten die Initianten wie das letzte Mal eine prozentuale Erhöhung festgeschrieben», sagt ein Verfassungsrechtler.

Doch Rechtsauslegung ist nicht Mathematik und deshalb oft Gegenstand unterschiedlicher Interpretationen. Bundesrat und Parlament müssen einen Zielkonflikt lösen. Was ist wichtiger – eine administrativ möglichst einfache Umsetzung (via Erhöhung der AHV-Monatsrente um 8,3 Prozent) oder eine Umsetzung gemäss Wortlaut der neuen Verfassungsnorm (Rentenzuschlag einmal pro Jahr)?

Der Bundesrat hat überrascht

Der Bundesrat sprach sich vergangene Woche überraschend für eine verfassungsnahe Umsetzung in Form eines Rentenzuschlags einmal pro Jahr aus. Die haarigen Details liess er dabei offen. Die Kernfrage dabei: Wie geht man mit Mutationen während des Jahres um? Versicherte sterben, Partner von Versicherten sterben, und auch andere Änderungen, die Einfluss auf den monatlichen Rentenanspruch haben, kommen immer wieder vor. Es geht nicht um Kleinkram. Die AHV zahlt jeden Monat etwa 2,5 Millionen Renten, und laut Praktikern fallen im Mittel rund 60 000 Mutationen pro Monat an. Hier einige der Knackpunkte:

  • Zeitpunkt. Soll der jährliche Zuschlag eher am Anfang, in der Mitte oder am Ende des Jahres fliessen? In Anlehnung an den 13. Monatslohn läge eine Auszahlung des Zuschlags zusammen mit der Dezember-Monatsrente nahe.

  • Mutationen. Liechtenstein hat schon eine 13. AHV-Rente und zahlt diese zusammen mit der Dezember-Rente aus. Liechtenstein bezeichnet den Zuschlag als «Weihnachtsgeld» und nimmt keine Rücksicht auf Mutationen während des Jahres: Entscheidend ist der Anspruch für den Monat Dezember. Diese Variante ist administrativ einfach, doch für die Schweiz wäre sie laut Praktikern kaum zulässig. Die neue Verfassungsnorm verlangt kein Weihnachtsgeld, sondern für alle einen Zuschlag von einem Zwölftel der Jahresrente. Wer diese Vorgabe ignoriert, aber gleichzeitig mit Verweis auf die Verfassungstreue den monatlichen Zuschlag ablehnt, kommt argumentativ in Rücklage.

  • Nachforderungen. Wenn ein Rentner zum Beispiel im Juni stirbt, könnten die Erben dann noch einen Anspruch auf die Hälfte des AHV-Zuschlags für das betreffende Jahr geltend machen? Theoretisch müsste wohl ein solcher Anspruch bestehen, doch die erfolgreiche Volksinitiative wollte die Rentner subventionieren und nicht deren Erben. Mit einer Einmalauszahlung des Zuschlags im Dezember statt Mitte oder Anfang Jahr müsste die AHV wenigstens im Normalfall nicht von den Erben eine Rückzahlung eines zu viel bezahlten Zuschlags einfordern.

  • Zuschlagsbasis. Auch ohne Todesfall von Rentnern kann es Mutationen geben, welche den monatlichen Rentenanspruch verändern. Auch in solchen Fällen würde es gemäss der neuen Verfassungsnorm nicht genügen, einfach die Dezember-Rente zweimal auszuzahlen. Stattdessen wären die zwölf monatlichen Rentenansprüche zusammenzuzählen, und ein Zwölftel der Summe entspräche dem Zuschlag. Auch dies wird aber politisch zu entscheiden sein.

Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung» (02.04.2024)

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