Dass sich die Einwanderungsrealitäten der Schweiz in der Bundesverfassung angemessen widerspiegeln.
Was wünschen Sie dem Schweizer Bundesstaat zu seinem 175. Geburtstag?
Dass er es schafft, die eigene Demokratie angesichts der Herausforderungen der Zeit – speziell auch der Migration – so weiterzuentwickeln, dass sie für die Zukunft nachhaltig aufgestellt ist.
Gibt es einen Verfassungsartikel, der INES besonders am Herzen liegt?
Die Arbeit von INES setzt sicher massgeblich am Artikel 8 in Verbindung mit Art. 35 der Bundesverfassung an, der die Durchsetzung des Grundrechts auf Nichtdiskriminierung in allen Bereichen des Lebens zur Aufgabe des Staates macht. Auch die Sozialziele in Artikel 41 und der Beitrag zur Achtung der Menschenrechte in der Welt in Artikel 54 sind für INES zentral.
Welcher Verfassungsartikel erhält zu wenig Beachtung?
In der Präambel steht etwas, das oft vergessen geht: Das Wohl Aller sollte sich am "Wohl der Schwachen" messen.
Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Updates, die die Verfassung seit Einführung des Frauenstimmrechts erlebt hat?
Artikel 8, konkret die Absätze 2 bis 4: Diskriminierungsverbot, Gleichberechtigung und Inklusion von Menschen mit Behinderung.
Was fehlt in der Bundesverfassung, um den Herausforderungen der nächsten 30 Jahre zu begegnen?
Das Bürgerrecht braucht ein Update. In einer Einwanderungsgesellschaft gehört das Grundrecht auf Einbürgerung in die Verfassung.
Ausserdem braucht es eine Regelung, die die Behörden verpflichtet, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung in Artikel 8 auf alle Bereiche auszuweiten: "Die Gesetze sehen Massnahmen zur Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung in allen Lebensbereichen vor."
Gehört Gott noch in die Verfassung?
Der Staat ist säkular zu organisieren – Staat und Religion gehören getrennt und die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist zu gewährleisten.
Gibt es einen Verfassungsartikel, der aus der Sicht von INES getilgt werden sollte?
Bei einer Totalrevision ginge es auch darum, alle Artikel zu streichen, die gemäss offizieller Position von Bundesrat nicht grund- und menschenrechtskonform ausgelegt werden können.
Freuen Sie sich auf die Diskussion, die die Initiative zur Totalrevision der Bundesverfassung auslöst?
Ja, wir finden dies zentral. Die Verfassung ist die Grundordnung unserer Werte und Organisation, die bewahrt aber laufend auch an die gesellschaftlichen Realitäten angepasst werden muss. Der in der Präambel verankerte Grundsatz der "Einheit in Vielfalt" ist die Kernschnur, die uns leiten soll.
Wie stehen Sie zur bisherigen Verankerung der Schweizer Neutralität in der Verfassung im Hinblick auf die Herausforderungen der heutigen Welt?
Die Frage, was Neutralität eigentlich genau heissen kann, ist historisch immer wieder ausgehandelt worden. Wenn dieses aussenpolitische Instrument in die Verfassung gehört – darüber lässt sich streiten –, so müsste es so formuliert sein, dass die Freiheit besteht, unser Verständnis von Neutralität auch weiterzuentwickeln.