Wie der Präsident des Stockholm International Water Institute (SIWI), Torgny Homgren, hervorhob, werde mit Rinaldo ein Forscher geehrt, der «unser Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen dem hydrologischen Kreislauf, ökologischen Prozessen und der Landschaftsentwicklung erheblich verbessert hat.» Seine Modelle hätten «äusserst wertvolle Instrumente geliefert, um das Leben durch fundierte Strategien und Methoden zu erhalten und zu schützen.»
In seinen Studien konzentrierte sich Rinaldo vor allem auf Überschwemmungen, Dürren und eine gerechte Wasserverteilung. Alles Themen, die die Menschheit bewegen – und im Zeichen der Klimakrise noch zusätzlich an Brisanz gewonnen haben. Für den Wissenschaftler steht fest: «Wasserströme haben seit jeher die Verbreitung von Leben bestimmt, sowohl auf der Ebene von Mikroorganismen und Wildtieren als auch der menschlichen Gesellschaften.» Wie das im Detail geschieht, hat er in jahrelanger Feldforschung und Laborarbeit untersucht.
Dabei ist es ihm und seinen Teams gelungen, aus den hydrologischen und ökologischen Prozessen in den Einzugsgebieten von Flüssen ein stets wiederkehrendes Muster herauszulesen: Die weit verzweigten, natürlichen Formen der Stromlandschaften bilden «ökologische Korridore» für Arten, Populationen, aber auch für Krankheiten. Dank dieser Feststellung und der daraus resultierenden Formeln ist es möglich geworden, die Ausbreitung invasiver Arten oder von Krankheitserregern innerhalb einer bestimmten Region vorherzusagen, etwa im Falle einer Choleraepidemie.
Mit seiner Forschungsarbeit, die auch Projekte in Haiti, Burkina Faso und im Südsudan umfasste, lieferte Rinaldo nicht nur einen «mächtigen Schlüssel zum Verständnis, wie die Natur funktioniert», wie es in der Fachwelt heisst. Er trug auch massgeblich dazu bei, die Ökohydrologie als eigenständige Wissenschaft zu etablieren. Und das gleich an mehreren Orten: Rinaldo ist nicht nur Direktor des Labors für Ökohydrologie an der EPFL in Lausanne, sondern auch Professor für Wasserbau an der Universität Padua, ausserdem Präsident des Istituto Veneto di Scienze, Lettere e Arti in Venedig.
Die Originalität des von ihm entwickelten Ansatzes besteht darin, dass er sich nicht damit begnügte, Oberflächenphänomene zu beobachten, sondern sich auch für die unterirdische Zusammensetzung der Orte interessierte, an denen die Arme von Wasserläufen aufeinandertreffen. Seine bahnbrechenden Arbeiten haben einerseits zu neuen Erkenntnissen über die Art und Weise geführt, in der Wasser die Erdoberfläche und die Ökosysteme formt, und andererseits detaillierte Kenntnisse darüber vermittelt, wie sich gelöste Stoffe und Populationen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit sowohl auf als auch unter der Erdoberfläche bewegen. Die Resultate seiner Studien sind in zahlreiche Bücher und mehr als 300 Fachartikel eingeflossen.
Dass er mit dem diesjährigen «Wasser-Nobelpreis» geehrt werde, erfülle ihn mit grosser Dankbarkeit, sagte Rinaldo kurz nach der Bekanntgabe. «Es bewegt mich sehr, auf diese Weise in die Fussstapfen mehrerer Kollegen und Freunde zu treten, mit denen ich oft zusammengearbeitet habe und die vor mir diese Auszeichnung erhalten haben.» Und noch etwas ist Andrea Rinaldo wichtig: «Wasser ist ein Gut für alle. Wie der Dichter W.H. Auden schreibt: 'Tausend haben ohne Liebe gelebt, nicht einer ohne Wasser'.»