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Bild: mrganso

Klima & Energie

Wieso alpine Solaranlagen rentieren: Sie liefern Strom, wenn er teuer ist

Der Schweiz fehlen in naher Zukunft riesige Mengen an Elektrizität – vor allem im Winter. Entsprechend viel dürfte Strom dann kosten. Das beeinflusst die Kalkulation zu Photovoltaik in den Bergen entscheidend.

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Mit der Energiewende will die Schweiz die fossilen Brenn- und Treibstoffe durch Elektrizität ersetzen. Die Herausforderung dabei: Heute macht Strom erst rund ein Viertel des Gesamtenergieverbrauchs aus.

Für die Bereitstellung der grossen Mengen an zusätzlicher Elektrizität gibt es ganz wenige realistische Möglichkeiten. Eine davon sind die alpinen Solaranlagen. Mit dem Solarexpress hat das Parlament dafür einen ersten Schritt gemacht, den man auch als Pilotphase betrachten kann. Allerdings sind inzwischen, noch bevor die ersten Anlagen gebaut sind, Zweifel gesät worden, ob es diese Anlagen wirklich braucht.

So meinen manche etwa, man müsse nur im Mittelland mehr Photovoltaik zubauen, und das Problem sei gelöst. Tatsächlich wird die Schweiz weit mehr inländischen Winterstrom benötigen, als auf den Dächern der bereits bestehenden Bauten realisierbar ist. Und jenseits von Kernenergie, Wind und alpinen Solaranlagen gibt es keine rechtzeitig verfügbaren Alternativen.

Crux mit der Kernenergie

Die Kernenergie scheint vielen eine erprobte und praktikable Lösung. Dabei wird allerdings unterschlagen, was die Erfahrung der letzten Jahre lehrt: Der Bau von Atomkraftwerken ist teurer und dauert vor allem viel länger, als jeweils veranschlagt wird.

Neue Reaktoren sind – wenn überhaupt – nicht rasch genug verfügbar, um das steigende Winterdefizit in den nächsten Jahrzehnten zu decken. Es braucht kurzfristig verfügbare Lösungen. Ein gezielter Bau von Wind- und alpinen Solaranlagen ist hier die einzige realistische Lösung und dringend nötig.

Selbst wenn vom bisherigen Bedarf 20 Prozent eingespart werden können, steigt der Strombedarf der Schweiz im Winter mit der Dekarbonisierung auf 50 bis 55 Terawattstunden. Mit dem Verzicht auf die Kernkraftwerke werden im Winter 13 Terawattstunden entfallen. In nicht allzu langer Zeit fehlen also jeden Winter 29 bis 34 Terawattstunden. Und das zeigt das Ausmass des Problems: Diese Strommenge entspricht der Winterproduktion von sechs bis sieben Kernkraftwerken.

Lage bei den Solaranlagen

Die Zahl der Photovoltaikanlagen auf Bauten nimmt erfreulicherweise rasch zu. Ihr maximales Potenzial wird auf rund 45 Terawattstunden geschätzt. Hiervon entfallen aber – und das ist entscheidend – nur 25 bis maximal 30 Prozent, also maximal 14 Terawattstunden, auf den Winter.

Um das dann verbleibende Winterloch von 20 Terawattstunden allein mit alpinen Solaranlagen zu decken, wären rund 300 Quadratkilometer Alpenterrain notwendig. Das entspricht rund 1,3 Prozent der Alpenfläche. Zum Vergleich: Die alpwirtschaftliche Nutzfläche hat im letzten Jahrhundert um 1350 Quadratkilometer auf noch 5400 abgenommen.

Die verlorenen Alpweiden spiegeln den volkswirtschaftlichen Bedeutungsverlust. In einem von der IG Solalpine begleiteten Projekt beträgt der jährliche Pachtzins für die Sömmerung 4000 Franken. Mit der geplanten Solaranlage können für nur 20 Prozent der Sömmerungsfläche jährlich 400 000 Franken Baurechtszins erwirtschaftet werden.

Der Preis im Winter ist entscheidend

Wenn behauptet wird, Solaranlagen in den Alpen seien im Vergleich mit solchen im Mittelland teurer, so stimmt das zwar bezogen auf die Jahresproduktion, aber klar nicht für den Winterstrom. Sobald ein wesentlicher Teil des Stroms mit Solaranlagen erzeugt wird, gibt es im Sommer einen grossen Überschuss, und entsprechend wird Strom im Sommer billig werden.

Die Amortisation aller Photovoltaikanlagen wird fast nur mit der Winterproduktion möglich sein. Entsprechend schlagen sich Alpenanlagen dank hohem Winteranteil besser. Zwar werden die Investitionen für Anlagen in den Alpen auf das Zwei- bis Dreifache derjenigen für grosse Anlagen auf Bauten geschätzt. Der Winterertrag pro installierte Leistung ist in den Alpen aber etwa dreieinhalbmal so hoch wie jener im Mittelland. Zudem dürften sich mit den Erfahrungen im Bau und Betrieb der ersten Anlagen konstruktive Vereinfachungen ergeben, die das Verhältnis noch verbessern.

Der einzige Nachteil

Mehrere Gemeinden haben sich leider gegen alpine Solaranlagen ausgesprochen, unterstützt durch Pro Natura und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Man muss ehrlich sein: Alpine Solaranlagen werden den visuellen Eindruck der Landschaft zweifellos beeinflussen. Das ist aber ihr einziger Nachteil.

Weil die Module wegen der üblichen Schneehöhen drei Meter über dem Boden installiert werden, bleibt die Sömmerung auf diesen Flächen weiterhin möglich. Durch den steilen Winkel der Panels ist eine negative Beeinflussung der Biodiversität zudem unwahrscheinlich. Im Sommer wird der Boden weiterhin gut besonnt und beregnet.

Eine verbindliche Aussage hierzu ist allerdings von keiner seriösen Fachperson zu erhalten – es fehlen die Erfahrungen. Eine optische Veränderung der Landschaft hat aber nichts mit Biodiversität zu tun, auch wenn grosse Teile der Bevölkerung dies gleichsetzen. Der Direktor des Urner Instituts Kulturen der Alpen, Professor Boris Previšić, bringt diese Situation wie folgt auf den Punkt: «Die Welt, und damit auch die Schweiz, hat ein gravierendes Energie- und ein Biodiversitätsproblem, aber kein ‹Landschaftsproblem›.»

Alpiner Solarstrom wird nicht billig sein. Aber ein grossflächiger Ausfall der Stromversorgung wäre unvergleichlich teurer. Die Schweiz braucht deshalb unbedingt rasch Erfahrungen mit dem neuen Anlagentyp, um dessen Wirkung auf Landschaft, Tiere, Pflanzen, Alpwirtschaft und Tourismus zu erkennen, die Baumethoden zu optimieren und deren Kapazität gezielt auszubauen.

Ruedi Kriesi, Renato Tami, «Neue Zürcher Zeitung» (10.01.2024)

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