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Gesellschaft: Gleichstellung

Wir wollen einen positiven Unterschied machen

Ob Lohngleichheit zwischen Frau und Mann, Inklusion von Menschen mit Behinderung oder Integration von Menschen mit Migrationshintergrund: Es gibt noch immer viel zu tun.

Das Wichtigste in Kürze

  • Jeder zweite Mensch in der Schweiz fühlte sich schon einmal wegen seiner Nationalität diskriminiert.
  • Männer verdienen im Schnitt 700 Franken mehr im Monat als Frauen – ohne Grund.
  • Das höchste Einkommen in der Schweiz ist rund 50-mal höher als das tiefste.
  • Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderungen sind politisch untervertreten.

Gleichstellung heisst «Niemanden zurücklassen» – eine Kernverpflichtung der Agenda 2030. Gemeint ist die Gleichstellung von Mann und Frau sowie die Gleichstellung von Minderheiten mit dem Rest der Gesellschaft.

Und wie steht es damit in der Schweiz? Hierzulande hat die persönliche Erfahrung von Diskriminierung in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen, wie Zahlen des Bundesamts für Statistik nahelegen. Der entsprechende Indikator weist für das Jahr 2022 einen Wert von 27 Prozent auf.

Das bedeutet, dass fast drei von zehn Personen in der Schweiz angeben, in den letzten fünf Jahren Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. Der Anteil ist zwischen 2010 und 2020 um immerhin 13 Prozentpunkte angestiegen. Unabhängig vom Beobachtungszeitpunkt werden Diskriminierungserfahrungen häufiger erwähnt als Erfahrungen physischer oder psychischer Gewalt.

Gesellschaftliche Minderheiten erleben Diskriminierung etwa aufgrund der politischen Orientierung, ihrer Herkunft, Ethnie oder Sprache, einer geistigen oder körperlichen Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung, einer psychischen Beeinträchtigung oder der Geschlechtsidentität.

Fakt ist: Menschen mit Migrationshintergrund sind häufiger erwerbslos.

8,1 %

der Menschen mit Migrationshintergrund waren 2021 erwerbslos, während nur 2,9 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund erwerbslos waren.

Diskriminierung ist Ursache und Folge dieser Situation: Für Menschen mit Migrationshintergrund ist es schwieriger, eine Stelle am Arbeitsmarkt zu finden. Gleichzeitig fördert eine systematische Benachteiligung die Armut in diesen Bevölkerungsgruppen.

Quelle: Bundesamt für Statistik

Mangelhafte Sprach- und Kulturkenntnisse des Bewerbers oder der Bewerberin können je nach Anforderung Gründe sein, eine Person ohne Migrationshintergrund zu bevorzugen.

Studien zeigen jedoch, dass Menschen mit einem ausländisch klingenden Namen sich öfter bewerben müssen als gleich qualifizierte Mitbewerberinnen und Mitbewerbern mit einem typischen Schweizer Namen. Das lässt Vorurteile auf der Arbeitgeberseite unabhängig der tatsächlichen Qualifikation vermuten.

Frauen sind keine Minderheit, erfahren aber trotzdem in verschiedenen Bereichen des Alltags noch immer Diskriminierung. So zum Beispiel beim Lohn: Es herrscht hier noch immer eine unerklärte Differenz zwischen Mann und Frau in der Schweiz.

Unerklärt heisst, dass Faktoren wie Teilzeitarbeit oder kürzere Arbeitsphasen im Leben berücksichtigt sind und es dennoch eine Differenz gibt. Die Ungleichheit am Arbeitsmarkt zeigt sich auch in den Führungsetagen der Unternehmen: Nur 25,5 Prozent der Kaderstellen in der Schweiz sind von Frauen besetzt.

Fakt ist: Ein Teil der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen lässt sich nicht erklären.

717 CHF

Lohndifferenz pro Monat zwischen Männern und Frauen können in der Gesamtwirtschaft nicht durch objektive Faktoren erklärt werden.

Während dem die Zahl im privaten Sektor mit 724 CHF pro Monat noch höher ist, ist sie im öffentlichen Sektor mit 642 CHF pro Monat leicht tiefer.

Quelle: Eidgenössisches Departement des Innern

Ungleiche oder gar ungerechte Einkommen betreffen aber nicht nur Frauen. Im internationalen Vergleich weist die Schweiz eine sehr ungleiche Verteilung von Löhnen in der Gesellschaft auf. Die höchsten Einkommen sind 51-mal so hoch wie niedrigsten.

Auch die allgemeine Armut nimmt aktuell zu in der Schweiz, 2019 waren rund 8,7 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung von Einkommensarmut betroffen.

Dabei sind Frauen häufig von Altersarmut betroffen: Im Schnitt verfügen sie über 67 Prozent weniger Einkommen aus der Pensionskasse als Männer. Damit ist ihre Rente im Schnitt ein Drittel tiefer als jene von Männern.

Fakt ist: Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert.

29 %

der Abgeordneten in den kantonalen Parlamenten sind Frauen.

Auf Bundesebene ist die Verteilung besser ausgeglichen, hier beträgt der Frauenanteil 42 Prozent.

Quelle: Länderbericht Schweiz 2022

Gleichstellung bedeutet auch eine verhältnismässige Vertretung der Bevölkerung in den Parlamenten und in der Verwaltung. Menschen mit Migrationshintergrund sind im Parlament stark untervertreten.

Während der Anteil in der Bevölkerung inzwischen ein Drittel beträgt, lassen sich die Parlamentarier*innen mit Migrationshintergrund an zwei Händen abzählen. Dasselbe Prinzip gilt für Menschen mit einer Behinderung.

Auch die rund 1,7 Millionen Menschen mit einer Behinderung in der Schweiz sind in den Parlamenten stark untervertreten.

Herausforderungen

  • Gerechte Löhne und Teilzeitmodelle einführen
  • Diskriminierung aufdecken und verhindern
  • Notwendige gesetzliche Grundlagen schaffen

Das können Unternehmen tun

Unternehmen sollten Diversität als Chance erkennen und Chancengleichheit beim Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Mitglieder der Gesellschaft schaffen. Mit gezielten Massnahmen können sie die Gleichstellung fördern.

  • Faire Löhne bezahlen: Der Bund stellt das Tool Logib zur Verfügung, mit dem Unternehmen ihre Lohnpolitik prüfen und sicherstellen können, dass sie gerechte Löhne bezahlen. Faire Löhne betreffen dabei nicht nur eine garantierte Lohngleichheit zwischen Frau und Mann, sondern generell angemessene Mindestlöhne, gerade im Niedriglohnsegment.
  • Transparente Lohnmodelle einführen: Um einer ungewollten Diskriminierung beim Lohn vorzubeugen, können auch transparente Lohnmodelle helfen. Daraus resultiert eine klare, nachvollziehbare Einstufung und verringert unerklärliche Differenzen.
  • Diskriminierung aufdecken: Strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung bleiben oft im Verborgenen. Durch interne Fachstellen, an die sich Betroffene im Vertrauen wenden können, werden entsprechende Vorfälle aufgedeckt und nachhaltig bekämpft.
  • Strategische Grundlagen schaffen: In der Nachhaltigkeitsstrategie und im entsprechenden Reporting wird festgehalten, dass im Unternehmen keine Diskriminierungen geduldet wird.
  • Teilzeitmodelle anbieten: Teilzeitmodelle ermöglichen eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter.
  • Augen auf im Bewerbungsprozess: Um Diskriminierung in Bewerbungsverfahren zu verhindern, ist es förderlich, sich dieses Problems grundsätzlich bewusst zu sein und bei der Auswahl auf allfällige ungewollte Vorurteile zu achten. Es könnten auch freiwillige Quoten für Einladungen beschlossen werden. Eine mögliche Lösung ist auch der anonyme Bewerbungsprozess. In den USA und in mehreren Ländern Europas ist diese Praxis schon weiter verbreitet als in der Schweiz.
  • Inklusive Sprache verwenden: Unternehmen sollten in ihrer internen wie externen Kommunikation darauf achten, keine diskriminierenden oder ausschliessenden Formulierungen zu verwenden.

Hier finden Sie Tipps und Ratgeber zum Gleichstellungsgesetz für Unternehmen.

Fakt ist: Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit als Männer.

20 %

der Männer arbeiten in der Schweiz in Teilzeit, während dem der Wert bei den Frauen bei 60 Prozent liegt.

Die Zahlen nähern sich über die letzten Jahre zwar langsam an, der Unterschied ist aber noch immer gravierend.

Quelle: Eidg. Büro für Gleichstellung von Frau und Mann

Ein Grossteil der Ungleichheiten zwischen Mann und Frau resultieren aus veralteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Traditionen. Diese sehen vor, dass nur eines von zwei Elternteilen in einer Familie arbeitet.

Auf gesetzlicher Ebene zeigt sich das beim Mutterschaftsurlaub, der bis auf zwei Wochen nur Frauen zusteht und nicht aufgeteilt werden kann. In der Praxis sind Karrieren sehr häufig noch immer an hohe Arbeitspensen gebunden, Teilzeitarbeit und beruflicher Aufstieg werden als Widerspruch empfunden.

Die Gleichstellung von Mann und Frau in der Wirtschaft, aber auch die Inklusion von Minderheiten kann die Politik zum Beispiel mit Quoten fördern. Seit 2021 müssen in der Schweiz in börsenkotierte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden mindestens 30 Prozent im Verwaltungsrat Frauen sein und 20 Prozent in der Geschäftsleitung.

Vaterschaftsurlaub im Vergleich

Quelle: OECD

Bei bezahlter Elternzeit hinkt die Schweiz im internationalen Vergleich hinterher. Eine Aufteilung des Urlaubs ist derzeit noch nicht möglich. Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen EKFF hat Anfang 2023 einen neuen Vorschlag erarbeitet, wie Elternzeit künftig in der Schweiz aussehen könnte.

Damit Diskriminierung – in welcher Form auch immer – gar nicht erst entsteht, sind Aufklärung und Präventionsarbeit erforderlich, zum Beispiel im Rahmen des Schulunterrichts. Zudem kann ein Bildungssystem, das Chancengerechtigkeit garantiert, das erste Tor zur Unabhängigkeit und ein Ausweg aus der Diskriminierung sein.

Fakt ist: Kinderbetreuung in der Schweiz ist teuer - und zwar überdurchschnittlich.

30 bis 50 %

eines Monatsgehalts bezahlt ein Paar in der Schweiz durchschnittlich für die Kinderbetreuung.

Die Schweiz hat laut einer Studie von UNICEF im internationalen Vergleich eine der teuersten Kinderbetreuungen weltweit. Der internationale Schnitt liegt bei 14 Prozent eines Einkommens.

Quelle: Länderbericht Schweiz 2022

Das können Sie selbst für mehr Gleichstellung tun

Für alle Formen von Diskriminierung, die reduziert werden sollen, ist in erster Linie eine Verhaltensänderung in der Zivilbevölkerung erforderlich.

  • Diversität suchen: In Kontakt und Berührung mit anderen Bevölkerungsgruppen, Randgruppen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu kommen, hilft dabei, Vorurteile abzubauen, und lindert Berührungsängste und fördert das Verständnis füreinander.
  • Zivilcourage zeigen: Selbst keine Diskriminierung zu betreiben und sich für Inklusion einzusetzen, ist der erste Schritt. Der zweite ist, darüber zu sprechen und andere anzuhalten, es ebenfalls zu tun.
  • Klassische Rollenbilder hinterfragen: Setzen Sie sich bewusst mit Aufgaben- oder Rollenverteilungen auseinander.
  • Inklusive Sprache verwenden: Wer im Sprachgebrauch darauf achtet, nichtdiskriminierende oder ausschliessende Formulierungen zu verwenden, setzt ein Zeichen und kann andere inspirieren.

Potenziale

  • Verändertes Bewusstsein in der breiten Bevölkerung für Gleichstellung
  • Kostengünstigere Kinderbetreuung ermöglichen
  • Regelungen zur Elternzeit ändern
  • Mit mehr Prävention und Aufklärungsarbeit gegen Gewalt an Frauen

Die direkte Demokratie in der Schweiz gibt den Bürgerinnen und Bürgern grossen Handlungsspielraum, etwas zu verändern. Entsprechend sind auch alle Mitglieder der Gesellschaft gefordert, sich zu engagieren und einzubringen, denn nur so ist eine angemessene Vertretung aller Bevölkerungsgruppen in der Politik möglich.

Unternehmen können interne Fachstellen für Diskriminierung und Chancengleichheit schaffen und so fördern, dass Missstände gemeldet und behoben werden können.

In Bezug auf die Gleichstellung von Frau und Mann können Unternehmen mit einfachen Massnahmen wie einem transparenten Lohnmodell und/oder einer externen Zertifizierung freiwillig dem Problem der Lohndifferenz entgegentreten.

Laut einer Studie von UNICEF ist in der Schweiz, verglichen mit anderen Ländern, die Kinderbetreuung besonders teuer.

In der Schweiz wird unterschieden zwischen Mutterschaftsurlaub (14 Wochen) und Vaterschaftsurlaub (2 Wochen). In anderen europäischen Ländern haben Eltern hingegen Anspruch auf Elternzeit, um die Kinderbetreuung gemeinsam zu übernehmen. Die Aufteilung nach Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub basiert zudem noch immer auf einer klassischen Rollenverteilung, die durch diese Unterscheidung gestützt wird.

Weitere Informationen

Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann

Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Berufliche Inklusion von Menschen mit Behinderung

Amnesty International, Leitfaden inklusive Sprache Amnesty International

Bundesamt für Statistik, Diskriminierungserfahrungen in der Schweiz

Enable Me – Stiftung MyHandycap, Integration und Inklusion im Schulsystem

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