Parasiten und Pestizide
Tierschutzaktivisten, Umweltorganisationen, aber auch Forscher weisen seit langem auf die Probleme hin, die Lachszuchtanlagen mit sich bringen. Diese befinden sich im offenen Wasser und bestehen aus mehreren Netzen, die bis zu 35 Meter in die Tiefe reichen. In jedem einzelnen davon drängen sich 100 000 oder sogar 200 000 Lachse.
Das dichte Getümmel führt dazu, dass sich Parasiten einfach verbreiten können. Am gefürchtetsten ist die Lachslaus – ein Krustentier, das sich von der Haut und dem Blut der Fische ernährt. Aber auch Bakterien und Viren sorgen dafür, dass 10 bis 20 Prozent der Fische die Aufzucht nicht überleben. Der Kot der Tiere und die Pestizide, die gegen die Parasiten zum Einsatz kommen, gelangen ungefiltert in die Buchten und gefährden die dortigen Ökosysteme. Zudem besteht ein beträchtlicher Teil des Lachsfutters aus in der Wildnis gefangenen Meeresfischen, was zur Überfischung beiträgt.
Kein Sektor im Lebensmittelbereich wächst schneller als die Zuchtlachsindustrie: Wurden 1983 weltweit rund 20 000 Tonnen Lachs produziert, sind es mittlerweile jährlich fast 3 Millionen Tonnen. Mehr als 20 Milliarden Dollar werden damit jedes Jahr umgesetzt. Lachs war einst ein Luxusprodukt, heute ist er überall zu haben.
Dazu kommt: Die Nachhaltigkeitslabels auf den Lachsprodukten sind weniger verlässlich, als viele denken. Das zeigt eine neue Studie der Naturschutzorganisation "Wild Fish" aus Schottland. Offenbar herrschen auch in manchen zertifizierten Farmen – unter anderem mit dem bekannten ASC-Label – schlimme Zustände, ohne dass die Zertifikation entzogen wird. Die Zertifizierungsorganisation ASC erklärt die Fälle unter anderem damit, dass die Bekämpfung von Lachsläusen wegen des schlechten Wetters verzögert gewesen sei.
Versprechen der Detailhändler
Wer die Website der Migros besucht, kann dort lesen: "Nachhaltigkeit ist Teil unserer Kultur." Und Coop fasst sein Nachhaltigkeitsengagement mit dem Slogan "Taten statt Worte" zusammen. Wie geht das zusammen mit dem übermässigen Verkauf eines problematischen Tierprodukts?
Die Migros verkauft nach eigenen Angaben nur Fische, die so gefischt und produziert werden, dass Wildbestände und Ökosysteme langfristig erhalten bleiben. Fische und Meeresfrüchte, die als bedrohte Tierarten gelten, stehen nicht im Angebot. "Jegliche Verstösse bei Zuchtlachsfarmen machen auch uns betroffen und können wir als Kunde nicht tolerieren", heisst es weiter in einer Stellungnahme. "Wir fordern von den Label-Organisationen klare Verbesserungen."
Coop schreibt: "Wir leisten mit unserem Sortiment seit über 30 Jahren einen aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit, indem wir beispielsweise das breiteste Sortiment an Bio- und Fair-Trade-Produkten im Schweizer Detailhandel anbieten." Das Unternehmen halte sich bei der Bewertung der von ihm aktiv geförderten Labels konsequent an den Fischratgeber von WWF Schweiz. Im Bereich der Aquakultur führe Coop nur Labels, die von WWF Schweiz mindestens als empfehlenswert eingestuft wurden.
Iris Menn von Greenpeace sieht die Labels kritisch. Sie empfiehlt, konsequent auf Zuchtlachsprodukte zu verzichten und auf vegane Alternativen zurückzugreifen. So weit geht der Zoologe David Willer von der Cambridge University nicht, aber auch er hält die Zuchtlachsfarmen in ihrer jetzigen Form für nicht nachhaltig: "Die Betriebe verbrauchen zu viele Futtermittel, die aus Wildfischen hergestellt sind", sagt er. Diese liessen sich teilweise durch Futter aus Algen ersetzen. Gleichzeitig sollten wir Konsumenten laut Willer weniger Zuchtlachs essen, dafür mehr jener Fische, die sonst in Form von Fischöl als Lachsfutter enden: etwa Sardinen, Sardellen oder Heringe. "Damit ernähren wir uns mindestens so gesund wie mit Lachs", sagt er.