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Das Forschungsboot «Wavelab» wird auf der Kieler Förde getestet – noch ist ein Schiffsführer an Bord.
Das Forschungsboot «Wavelab» wird auf der Kieler Förde getestet – noch ist ein Schiffsführer an Bord.

Bevis Nickel / Captn

Klima & Energie

Robo-Fähren mit Elektroantrieb: Wo die Technik steht und warum sie an Stand-up-Paddles, Bojen und kleinen Segelschiffen scheitert

Es ist eine feine Vision: Emissionsfreie Fähren gleiten autonom über Flüsse und Seen, entlasten überfüllte Strassen und Bahnen. Doch die Umsetzung stockt. Das hat mehrere Gründe.

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Robo-Fähren mit Elektroantrieb: Wo die Technik steht und warum sie an Stand-up-Paddles, Bojen und kleinen Segelschiffen scheitert

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Vor ein paar Jahren war die Euphorie über autonome Binnenfähren gross, also solche, die ohne Schiffsführer und meist elektrisch Flüsse und Seen durchqueren. Der Enthusiasmus hat mittlerweile etwas nachgelassen. Zwar sollen sich Binnengewässer mit emissionsfreien Fähren für Fussgänger und Velofahrer effektiver in den öffentlichen Nahverkehr integrieren lassen – wenn möglich auch ohne menschlichen Schiffsführer. Doch die Entwicklung ist etwas ins Stocken geraten.

Dabei ist die Idee bestechend. Ob autonom oder mit Kapitän: Erstens liessen sich latent überfüllte Verkehrsmittel und -wege entlasten, zweitens könnte die direkte Querung eines Flusses grosse Umwege sparen.

Momentan ist der Anteil von Binnenfähren an der Gesamtmobilität noch gering, in Deutschland liegt er bei unter einem Prozent. In der Schweiz dürfte das nicht wesentlich anders sein, sieht man von einigen Regionen mit ausgeprägter touristischer Schifffahrt ab.

Zum Teil ist die aktuelle Zurückhaltung auf technische Herausforderungen zurückzuführen. Aber es müssen auch noch weitere Punkte geklärt werden: Soll eine Fähre über einen einsamen Fluss übersetzen, stellt sich die Sache vergleichsweise simpel dar – anders ist es, wenn es sich um eine vielbefahrene Wasserstrasse handelt.

Doch das Potenzial der Idee mit den selbstfahrenden Elektro-Schiffen ist gross – das demonstrieren einige Beispiele aus Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz.

Ein autonomer Katamaran auf der Kieler Förde

In Kiel begann sich 2018 ein Forschungsverbund der Christian-Albrechts-Universität intensiv mit der Vision der autonomen Schifffahrt zu beschäftigen. Daraus entstand die Initiative «Captn» zur Entwicklung einer Personenfähre, die unbemannt und zuverlässig die Kieler Förde von West nach Ost queren soll.

Schnell mit dabei waren die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Kiel, die Muthesius-Kunsthochschule sowie eine Reihe spezialisierter Unternehmen, zum Beispiel die beiden Entwickler von Navigations- und Kontrollsystemen Anschütz und Addix. Die Studierenden der Muthesius-Kunsthochschule machten das Projekt mit einer vielfach prämierten, visionären Designstudie überregional bekannt.

Seit Anfang 2023 ist nun der Prototyp «Wavelab» in Betrieb, ein Katamaran mit 21 Metern Länge und vielen Sensoren. Damit testet Captn verschiedene Technologien aus. Passagiere sind nicht vorgesehen. Zunächst geht es um die Frage, welche Herausforderungen der autonome Betrieb auf der Kieler Förde bringt. Sie ist immerhin eine hochfrequentierte Bundeswasserstrasse. Hier sind Ostseefähren unterwegs, Frachtschiffe, mitunter auch U-Boote auf dem Weg zur Werft. Derlei grosse Einheiten werden zuverlässig erkannt, auch ihr Kurs lässt sich gut prognostizieren.

Doch bei Stand-up-Paddles und kleinen, wendigen Segelbooten – wird es schwierig. Noch kniffliger ist der Umgang mit Bojen, Paddlern oder Schwimmern. All das tummelt sich auf der engen Förde. Ein autonomes Boot muss all dies erkennen, entsprechend entscheiden und schliesslich sicher ausweichen können – auch bei Wellen, bei Regen oder Nebel.

Auf Strassen funktionieren viele Sensoren vielleicht, aber auf bewegtem Wasser kommen sie an ihre Grenzen. Daher braucht es hier andere Sensoren und Auswertungsroutinen. Während ein autonomer Bus notfalls einfach anhalten kann, muss ein Schiff konstant sicher manövrieren können.

Die Behörde verordnet einen Kontroll-Kapitän

Zunächst war «Wavelab» ferngesteuert unterwegs, dann nahm die Autonomie des Katamarans zu. Doch auch heute noch ist ein Kapitän an Bord – so will es das Gesetz. Und da es sich um eine Bundeswasserstrasse handelt, benötigt der Schiffsführer sogar das sogenannte Grosse Patent, also die höchste Stufe der Schifffahrtsprüfung. Überwacht und gesteuert wird die Fähre derweil im Kontrollraum an Land, per digitalem Zwilling und Echtzeit-Anbindung via Satellit sowie 5G-Mobilfunk. Fliessen jüngst beantragte Fördergelder, dann könnte 2028 der Realbetrieb mit einer eigens entwickelten Fähre starten – teilautonom vermutlich, aber mit Passagieren.

In dieser Projektphase wird ein weiterer Aspekt wichtig, nämlich die Akzeptanz eines Bootes, das ohne menschliches Zutun unterwegs ist. Das wirft gänzlich neue Fragen auf, etwa nach dem subjektiven Sicherheitsgefühl an Bord. Wie man autonome Systeme nutzergerecht gestaltet – das dürfte eine der zentralen Zukunftsaufgaben sein. Industrie- und Kommunikationsdesigner müssen die folgenden Fragen beantworten: Wie kommunizieren die Systeme mit den Menschen, die sie umgeben? Wie lassen sich Missverständnisse ausschalten, wie Vertrauen aufbauen?

Ein weiterer Ansatz ist es, mit eleganten Designentwürfen neue Projekte voranzutreiben. Das Startup Roboat aus Amsterdam beispielsweise arbeitet zusammen mit der Werft Holland Shipyards an der «Ferry of Future» und liess den Prototyp Ende 2024 für eine Woche auf der Seine testen – automatisches An- und Ablegen inklusive.

Das Boot ist für 35 Personen ausgelegt und wird per 3-D-Druck aus faserverstärkten Recycling-Kunststoffen produziert. Angetrieben wird das 9 Meter lange Boot von elektrischen Antriebseinheiten am Rumpfboden, die um 360 Grad drehbar sind und für hohe Manövrierfähigkeit sorgen.

Bereits 2021 stellte das deutsche Startup Unleash Future Boats eine elektrische Kleinfähre für zwei Passagiere vor. «Zero One» war nur der praktische Machbarkeitsnachweis für die Skalierung: «Future One» sollte zwölf Plätze bieten, «Cargo One» einen Standard-Container von 40 Fuss (12 Meter) transportieren können, etwa innerhalb eines Hafens. In beiden Fällen sollte der Betrieb dank E-Antrieb und Brennstoffzellen komplett emissionsfrei sein.

Um das Unternehmen ist es jüngst trotz dem Reifegrad des Projekts still geworden. Die Rahmenbedingungen seien schwieriger als gedacht, so die Gründerin Diana S. Engelhard im Gespräch. Das beginne bei den Anlegestellen, ein simples Thema, so sollte man meinen. Aber oft seien die nicht vorhanden, oder geeignete Stellen seien in privatem Besitz. Das bedeute lange Verhandlungen und bremse die Implementierung aus.

Der Logistik-Variante könnte da mehr Erfolg beschieden sein, zumal das Betriebsmodell wirtschaftlich funktioniere. Vielleicht wird «Cargo One» dereinst in Häfen als Kleinstzulieferschiff für grosse Schiffe unterwegs sein.

Die Emissionsfreiheit besitzt Priorität

Wird sich auf den Seen der Schweiz in absehbarer Zeit etwas tun? Nikolas Schaal äussert sich skeptisch. Er ist Programmleiter für Autonomie beim Luzerner Schiffbauer Shiptec und kennt die Themen der Betreiber. Und die deuten keineswegs in Richtung autonomer Schiffe. Denn erstens seien deren Einsatzmöglichkeiten noch unklar, und zweitens dominiere derzeit die Frage, wie man die bestehenden und künftigen Flotten auf emissionsfreie Fahrt umstellen könne. Autonom bedeute ja keineswegs, dass man ganz ohne Personal auskommen werde, für das Tauwerfen beim Anlegen benötige man immer noch Personal. Am ehesten liesse sich der Personalbestand für nautische Aufgaben verringern.

Verkehrsbetriebe jonglieren ohnehin oft mit knappen Budgets. Ihnen ist das Einsparpotenzial zu gering, und das Risiko und der Investitionsbedarf sind ihnen zu hoch. Die völlig ungeklärte Rechtslage kommt hinzu: Ohne festgelegten Rahmen wagt sich kaum jemand in Vorleistung, die Behörden aber hinken der technologischen Entwicklung hinterher. Vermutlich, so Schaal, sei die Autonomie für die Cargo-Binnenschifffahrt weit interessanter. Denn dort herrsche ein Fachkräftemangel, den autonome Schiffe auffangen würden.

An einem entsprechenden Projekt arbeitet man bereits. «Ella» heisst das im Massstab 1:6 auf 15 Meter Länge verkleinerte Lastschiff. Vom Duisburger Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme DST entwickelt, lernt sein KI-Assistent im Testfeld des Dortmund-Ems-Kanals noch von manuell ferngesteuerten Fahrten.

Begleitetes Fahren auf dem Bielersee

Das Problem fehlender Regularien lernte auch ein Studierendenteam der Berner Fachhochschule in Biel kennen. Es schickte das kleine Forschungsboot «Wall-B» im Juli 2024 auf den Bielersee. Die beiden Bachelor-Studenten Janik Batisberger und Mattia Ortelli entwickelten im Wintersemester 2023 ein kleines Experimentalboot, das den Seeboden per Sonar und Unterwasserkamera kartografiert, selbständig und rein solar angetrieben. Das gelang auch auf einem 5,3 Kilometer langen Dreieckskurs, aber nur unter strikter Begleitung. So wollte es das kantonale Schifffahrtsamt in Bern, das sich darauf berief, dass ein Schiff nur mit qualifiziertem Schiffsführer an Bord unterwegs sein dürfe.

Für das Projekt machte die Behörde zwar eine Ausnahme, bestand aber auf dem nahen Begleitboot, damit man notfalls schnell intervenieren könnte. Diese Option hatte das Team per 4G-Netz implementiert, musste aber nie davon Gebrauch machen – damit gelang die erste autonome Bootsfahrt auf Schweizer Gewässern. Heute ist «Wall-B» in der Hochschule ausgestellt, bis der nächste Schritt eingeleitet wird: der unbegleitete Betrieb.

Das Potenzial der autonomen Boote in Binnengewässern ist trotz gewissen Unsicherheiten gross: Sie könnten nachhaltige Logistiklösungen bieten, urbane Mobilität ergänzen, neue Verbindungen schaffen. Doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke, die sich nicht mit Euphorie überbrücken lässt.

Noch fehlen ein verlässlicher Rechtsrahmen, Geduld bei der technologischen Entwicklung und realistische Erwartungen. Die Revolution auf dem Wasser lässt noch etwas auf sich warten. Doch wenn sich die Entwickler und Gesetzgeber den genannten Herausforderungen stellen, haben sie gute Chancen, die autonomen E-Schiffe grossflächig aufs Wasser zu bekommen.

Armin Scharf, «Neue Zürcher Zeitung» (27.11.2025)

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