Kohlenstoff gelangt durch die Photosynthese der Pflanzen und die Zersetzung von pflanzlichem und tierischem Material in den Boden. Ein Teil des Kohlenstoffs wird in organisches Material (Humus) umgewandelt und verbleibt im Boden, ein Teil wird durch die Tätigkeit von Mikroorganismen in die Atmosphäre zurückgeführt.
Es handelt sich um ein dynamisches Gleichgewicht, das von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, darunter die klimatischen Bedingungen, die Zusammensetzung des Bodens, seine Struktur und die Art der Bearbeitung.
Eine sorgfältige Bewirtschaftung der landwirtschaftlich genutzten Böden ermöglicht eine nachhaltige Aufnahme und Speicherung von Kohlenstoff und trägt damit zur Verringerung des CO₂-AnteilsExterner Link in der Atmosphäre bei.
Die Schweiz bezieht – wie auch andere Länder – die Böden in ihre Strategie zur Kompensation der CO₂-Emissionen und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 ein. Über dieses Ziel beziehungsweise das Klima- und Innovationsgesetz stimmt das Schweizer Volk am 18. Juni 2023 ab.
Doch es gibt ein Problem. Die intensive Landwirtschaft und der weltweite Qualitätszerfall von Anbauflächen verringern die Fähigkeit von Böden, Kohlenstoff zu binden. Was zur Frage führt: Welches Potenzial haben landwirtschaftlich genutzte Böden für die Bekämpfung des Klimawandels?
Biobauer Christian Streit wollte es genau wissen und beteiligte sich daher an einem einzigartigen Projekt.
Wie viel Kohlenstoff steckt in den Böden?
Das Ergebnis: 14'037 Tonnen CO₂-Äquivalent sind in den Böden des Schweizer Landwirts gespeichert. Diese Zahl entspricht in etwa den Gesamtemissionen von 1000 Menschen in der Schweiz.
Dank diesem Kohlenstoffvorrat kompensiert der Landwirt rund ein Viertel der Treibhausgase, welche durch seine landwirtschaftlichen Aktivitäten entstehen. Der grösste Teil der Emissionen stammt aus dem Methan, das bei der Verdauung seiner Rinder entsteht.
Die Berechnung wurde von ProméterreExterner Link durchgeführt, einem Verband zur Förderung der landwirtschaftlichen Berufe im Kanton Waadt. Im Rahmen eines PilotprojektsExterner Link, an dem 18 von rund 3500 landwirtschaftlichen Betrieben des Westschweizer Kantons beteiligt waren, haben die Mitarbeitenden von Prométerre auf allen Grundstücken (insgesamt 600 Parzellen) Bodenproben genommen. Die Methode berücksichtigte nicht nur die Tiefe, sondern auch die Dichte und die Masse des Bodens.
Das gute Ergebnis mit einem hohen Gehalt von Kohlenstoffen in den Böden von Christian Streit ist kein Zufall. Seit Jahrzehnten werden seine Felder ständig mit organischem Material versorgt.
Der Landwirt bringt Gülle und Gemüseabfälle aus und lässt die Pflanzenreste nach der Ernte auf den Feldern liegen. «Das ist eine Familientradition. Mein Vater war ein Pionier der nachhaltigen Bodenbewirtschaftung», sagt der 46-jährige Landwirt.
Treibhausgase mit Humus ausgleichen
Verschiedene Massnahmen weltweit zielen darauf ab, den Bestand an organischen Substanzen und damit an Kohlenstoff in den Böden wieder zu erhöhen.
Die internationale «4-Promille-InitiativeExterner Link», die 2015 in Paris an der UNO-Klimakonferenz lanciert wurde, geht davon aus, dass eine zusätzliche Speicherung von jährlich 4 ‰ mehr organischer Bodensubstanz in allen Böden der Welt die aktuellen globalen, anthropogenen Treibhausgasemissionen weitgehend kompensieren könnte.
Laut Pascal Boivin, Professor an der Hochschule für Landschaft, Ingenieurwesen und Architektur in GenfExterner Link (Hepia), kann die Schweiz dieses Ziel erreichen. Die landwirtschaftlichen Praktiken seien bekannt.
Boivin hat die von Prométerre verwendete Methodik entwickelt und ist Präsident der European Confederation of Soil Science SocietiesExterner Link (Dachverband der Europäischen bodenkundlichen Gesellschaften). «Die Frage ist, wie man möglichst viele Landwirte auf der ganzen Welt dazu bringen kann, sich für nachhaltigere Methoden zu entscheiden», sagt er.
Eine der Lösungen zur Erhöhung des Gehalts an organischen Materialien ist die konservierende Landwirtschaft, also genau die Methode, die von Biobauer Christian Streit praktiziert wird. Weltweit werden aber nur 15 Prozent der Ackerflächen auf diese Weise bewirtschaftet.
Markt für Kohlenstoffgutschriften
Gemäss Claudio Zaccone, Professor für Agrarchemie an der Universität Verona und Mitglied der International Union of Soil Sciences (IUSSExterner Link), sind sich die Landwirt:innen weltweit nicht immer über die Menge an Kohlenstoff in den Böden und deren Bedeutung für die Bodenqualität im Klaren. Seiner Meinung nach ist es aber nicht nur eine Frage der Sensibilisierung.
«Wenn sie Massnahmen zur Kohlenstoffbindung ergreifen, müssen sie zusätzliche Kosten tragen, und dies häufig ohne einen unmittelbaren Produktivitätsgewinn zu erzielen», so Zaccone.
Konkret: Biobauer Streit in Aubonne muss beispielsweise mehr Arbeitskräfte einstellen, wenn er den Einsatz von Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Fahrzeugen reduzieren will, also von schwerem GerätExterner Link, das eine Verdichtung der Böden zur Folge hat.
«Wenn die Politik die Landwirt:innen zu nachhaltigeren Bodenwirtschaftsmethoden animiert, sollten sie zumindest in einer frühen Phase in den Genuss von Subventionen kommen», meint Zaccone.
Eine andere Möglichkeit ist ein freiwilliger Markt für KohlenstoffgutschriftenExterner Link, eine Idee, die in den Vereinigten Staaten und in Europa, auch in der Schweiz, auf dem Vormarsch ist. Dank des so genannten carbon farming können Landwirt:innen die Menge an Kohlenstoff, diesie im Boden binden, zertifizieren lassen. Die entsprechenden Gutschriften können dann verkauft werden, beispielsweise an Unternehmen oder Privatpersonen, die Emissionen ausgleichen möchten.
Das Modell ist attraktiv für die Landwirtschaft. Einigen Schätzungen zufolge könnten auf den landwirtschaftlichen Flächen der Welt mehr als eine Milliarde Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr gebunden werden. Geht man von einem Mindestpreis von 20 Dollar pro gebundene Tonne aus, ergibt sich ein Umsatz von etwa 20 Milliarden Dollar pro Jahr.
Das zumindest in der Theorie. Denn die Praxis sieht anders aus.
Eine unvollkommene Methode
Die Berechnung der genauen Menge an Kohlenstoff, die im Boden gebunden werden kann, ist nämlich kompliziert. Sie hängt von den Eigenschaften des jeweiligen Bodens ab, die von Region zu Region und sogar von Parzelle zu Parzelle unterschiedlich sind. Eine detaillierte Methodik nach dem Vorbild von Prométerre könnte einen Beitrag zu einer besseren Genauigkeit leisten.
Es gibt zudem keine Garantie dafür, dass der Kohlenstoff lange genug im Boden bleibt, um der globalen Erwärmung entgegenzuwirken. Einige neuere StudienExterner Link widersprechen der Vorstellung, dass Kohlenstoffmoleküle über Hunderte oder Tausende von Jahren im Boden verbleiben können.
Die Bäuer:innen könnten sich auch für eine Rückkehr zur intensiven Landwirtschaft entscheiden. Auch starke Regenfälle oder extreme Trockenheit könnten den im Boden gespeicherten Kohlenstoff freisetzen und die Bemühungen um eine Bindung zunichtemachen.
Es gibt auch immer mehr Hinweise darauf, dass einige Praktiken wie die Direktsaat (ohne Pflug), möglicherweise nicht so viel Kohlenstoff speichernExterner Link wie bisher angenommen. Auf alle Fälle gibt es eine Grenze für den Kohlenstoffgehalt im Boden. Und gemäss gewissen Schätzungen könnte dieser Sättigungsgrad in wenigen Jahrzehnten erreicht sein.
Ein Vermächtnis für die Zukunft
Trotz aller Unwägbarkeiten wird sich Biobauer Christian Streit weiterhin um seine Böden kümmern. Nicht zuletzt, weil seiner Meinung nach kohlenstoffreiche Böden fruchtbarer sind, eine höhere Wasserspeicherkapazität aufweisen und die Artenvielfalt fördern.
In Zukunft will der Landwirt die maschinelle Bearbeitung der Böden weiter reduzieren und den Eintrag von organischem Material zugleich erhöhen. Es ist geplant, die Kohlenstoffmessung in einigen Jahren zu wiederholen, um festzustellen, welche Anbaumethoden sich positiv ausgewirkt haben. Die Kosten für diese zweite Analyse wird er allerdings selbst tragen müssen.
Streit hofft, dass sich das Engagement für Boden und Klima auch wirtschaftlich bemerkbar macht. Eine Zertifizierung, wie es sie heute für den biologischen Landbau mit einem Bio-Label gibt, könnte ihm zum Beispiel erlauben, seine Produkte zu einem höheren Preis zu verkaufen.
Doch selbst wenn dieses Ziel einer höheren Rendite nicht erreicht wird, ist es für Streit kein Drama. Die Fortführung der Familientradition ist ihm das Wichtigste. "Ich tue es für meine Kinder", sagt er, "denn ich möchte, dass sie am Ende ein so fruchtbares Land haben wie das, das mir mein Vater hinterlassen hat."