2. «Grüne» Politik ist out
Dabei zeigen die vergangenen Monate schon eines: Die Sorge vieler Aktivisten und Klimaforscher hat sich bestätigt. Donald Trumps klimafeindliche Politik zermürbt die fragile Unterstützung für die Netto-Null-Ziele und nährt den Opportunismus einer klimaskeptischen Politik.
Argentinien hat unter dem libertären Regierungschef Javier Milei schon mit der Idee gespielt, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Die Konservativen in Grossbritannien haben Ende März die Netto-Null-Ziele des Landes als wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Irrsinn infrage gestellt. Und das, obwohl das Ziel unter der Konservativen Premierministerin Theresa May eingeführt wurde und Boris Johnson die Klimaverhandlungen in Glasgow als diplomatisches Aushängeschild eines neuen, globalen Britannien nutzte. Gleichwohl haben die Konservativen in einer eigenen Studie festgestellt, dass die Ziele langfristig wirtschaftliches Wachstum fördern würden.
Dabei sollte es kaum überraschen, dass Trumps Ausstieg aus dem Pariser Abkommen klimapolitischen Skeptikern und Zauderern dafür Rückendeckung geben würde, die eigenen grünen Verpflichtungen herunterzuschrauben. Denn die vergangenen Jahre waren zwar davon geprägt, dass viele Regierungschefs ihre Reden regelmässig mit wohlklingenden grünen Bekundungen schmückten. Aber die Tatsache, dass klimapolitische Auflagen auf Kosten der lokalen Wirtschaft, regionaler Arbeitsplätze und der Wettbewerbsfähigkeit gehen können, hat den Durchsetzungswillen vieler Regierungen seit je geschwächt.
Auch in Brüssel, wo die deutsche EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen den sogenannten Green Deal zum zentralen politischen Programm ihres ersten Mandats erklärt hatte, konnte man das beobachten. Regierungsvertreter lieferten sich unter anderem heftige Kämpfe um neue Emissionspreise auf Heizöl und Kraftstoffe. Die Sorge, dass die Lebenskosten von Bürgern steigen könnten, bremst den Enthusiasmus der meisten Politiker in Bezug auf eine entschlossene Klimapolitik.
Die EU wehrt sich dabei weiterhin gegen den klimafeindlichen Kurs aus den USA. Führende EU-Politiker haben das Vorhaben, bis 2050 netto null Emissionen zu erreichen, neu bekräftigt. Aber die politische Verkaufsmasche hat sich geändert. Die Energiewende sei ein zentraler Hebel, um langfristig das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Energiesicherheit der EU zu stärken, so die Botschaft heute.
Auf diese Strategie setzt China seit Jahren. An den Netto-Null-Zielen bis 2060 werde die Regierung aus diesem Grund auch nicht rütteln, sagen Experten. «China hat das Ziel der CO2-Neutralität aus Eigeninteresse verkündet», sagt die Analystin Yan Qin von Clearblue Markets. Es gehe Peking darum, die energieintensive Fertigungsindustrie im Land umzubauen.
China ist weiterhin der weltgrösste Verursacher von Emissionen, verbrennt mehr Kohle und baut mehr Kohlekraftwerke als jedes andere Land auf der Welt. Gleichzeitig verfolgt aber auch kein Land mehr Projekte zur Gewinnung erneuerbarer Energie. China trug 2024 sogar mehr als die Hälfte zum weltweiten Anstieg der Solar- und Windkraftproduktion bei, so neue Daten der Denkfabrik Ember. Und China dominiert schon heute die Herstellung und die Lieferketten für fast alle grüne Technologien, die für die Energiewende zentral sind.
Das bedeute dennoch nicht, grosse Ankündigungen aus Peking zu erwarten, so Qin, und sie verweist auf die gegenwärtige geopolitische Lage, Handelskonflikte mit den USA und den Druck auf Chinas Wachstum: «Das wird China daran hindern, seinen Klimaplan für 2035 deutlich anzuheben.»
3. Wirtschaftsfaktoren, nicht Umweltbewusstsein treibt die Energiewende
Die Energiewende geht weltweit voran, daran kann auch Donald Trump nichts ändern. Treiber der Entwicklung sind längst nicht mehr klimapolitische Diktate. Vielmehr zählen heute Wirtschaftsfaktoren, allen voran die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit vieler grüner Technologien, wie auch der steigende Strombedarf, der weltweit gestillt werden muss. Das sind einerseits erfreuliche Nachrichten für all diejenigen, die für die Energiewende einstehen. Für die Klimaziele des Pariser Vertrags reicht es dennoch nicht aus.
Mitte April veröffentlichten Analysten von Bloomberg New Energy Finance ein neues Szenario, wie sich die globale Energiewende mit den bestehenden Rahmenbedingungen, also ohne neue klimapolitische Impulse, weiterentwickeln könnte.
Der Befund? Der Anteil von Erneuerbaren und Elektroautos nimmt weltweit stark zu. Wasserstoff und Technologien, um CO2 abzuscheiden, aber auch nachhaltige Kraftstoffe haben derweil ohne zusätzliche Unterstützung Probleme, sich durchzusetzen. Stattdessen wächst die Nachfrage nach Erdgas, während der Anteil von Kohle und Erdöl abnimmt. Die Emissionen könnten sich infolgedessen bis 2050 um 22 Prozent verringern.
Was bedeutet das für die Klimaziele? In dem Szenario – das auch davon abhängt, dass bestehende Hürden für den Einsatz grüner Technologien aufgehoben werden – steuert die Welt auf eine globale Erwärmung von 2,6 Grad bis 2100 zu. Das ist zwar besser als die gegenwärtige Aussicht auf 3 Grad. Aber es ist weit über dem Anspruch, die Erwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen und so die gefährlichen Auswirkungen einzudämmen, die damit für Mensch und Natur einhergehen.