Vor mehr als 30 Jahren hat die internationale Klimapolitik in Brasilien ihren Lauf genommen, am Samstag hat das Ende der jüngsten Ausgabe der Konferenz eine neue Ära der Klimapolitik eingeläutet. Denn zehn Jahre nachdem das Pariser Abkommen beschlossen worden war, ging es zum ersten Mal vor allem um die Herausforderung, die Klimaziele umzusetzen – und nicht um neue Versprechen, die schnell wieder vergessen werden.
Dabei wurden die vergangenen zwei Wochen vor allem von der Frage dominiert, wie ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gelingen könnte. Das kam für viele unerwartet, das Thema stand eigentlich nicht auf der Agenda der diesjährigen COP30-Konferenz. Am Samstag zeigte sich jedoch: Trotz wachsendem Druck während der Verhandlungen wollten sich die meisten Länder nicht konkret zu einem Ausstieg verpflichten. Noch sind die Kosten für viele Länder zu hoch.
Angefangen hatte alles mit einer Rede des brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der zu Verhandlungsbeginn einen Fahrplan zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und der Entwaldung forderte. Vor zwei Jahren hatten sich Regierungen in Dubai zum ersten Mal dazu durchgerungen, das für die Klimaziele benötigte Ende für Erdöl, Gas und Kohle einzuläuten. Seitdem ist jedoch wenig geschehen, tatsächlich steigt der Verbrauch fossiler Brennstoffe weiter an.
«Wir müssen der Gesellschaft zeigen, dass wir es ernst meinen – ohne irgendjemandem etwas aufzuzwingen, ohne Fristen zu setzen», sagte Lula noch am Mittwoch über seinen Vorstoss: «Wir müssen die Treibhausgasemissionen reduzieren.»
Die Beschlüsse, die am Samstag von den Regierungen zähneknirschend angenommen wurden, erwähnen die fossilen Brennstoffe nicht explizit. Stattdessen gibt es neue Initiativen, um Länder bei der Umsetzung ihrer Klimapläne zu unterstützen und Emissionsminderungen zu beschleunigen. Noch steuert die Welt laut einer Uno-Analyse auf eine Erwärmung von 2,8 Grad zu – also weit entfernt vom Ziel des Pariser Abkommens, die Erwärmung auf weit unter 2 Grad zu begrenzen.
Schwere Enttäuschung für europäische Diplomaten
Für europäische Diplomaten ist das Ergebnis eine herbe Enttäuschung. Eine stetig wachsende Allianz von Entwicklungs- und Industrieländern hatte das Thema während der Klimakonferenz vorangetrieben. Angeführt von Kolumbien forderten am Freitag mehr als 80 Regierungen einen solchen Fahrplan.
Der zuständige EU-Kommissar Wopke Hoekstra hatte am Freitag noch geschworen, man könnte sonst keinem Deal in Brasilien zustimmen. Am Samstag sagte er laut Medienberichten, man solle den Kompromiss unterstützen. «Zumindest geht es in die richtige Richtung.» Das Ergebnis sei ein «schlechter Deal» für die EU, schrieb derweil ein europäischer Unterhändler am Samstag in einer vertraulichen Nachricht.
Der Widerstand der Schwellenländer ist gross
Der Widerstand der Schwellenländer, allen voran in Saudiarabien, aber auch China und Russland, ist laut dem Unterhändler jedoch zu gross gewesen. Man würde nun in anderen Foren weitermachen. Kolumbien und die Niederlande haben angekündigt, im kommenden Jahr eine Konferenz auszurichten, um die Debatte rund um den Ausstieg aus Kohle, Erdöl und Gas weiterzubringen. Die brasilianische COP-Präsidentschaft werde zudem selbst an einem Fahrplan arbeiten, kündigte André Aranha Corrêa do Lago bei der Schlussversammlung an. Der Diplomat leitete die Verhandlungen während der vergangenen zwei Wochen.
Diplomaten hatten die Nacht über verhandelt, bis die brasilianischen Gastgeber am Samstag die Konferenz endlich beschliessen konnten. Dabei ging es vor allem darum, ein Gleichgewicht zwischen den Forderungen zu finden, Emissionsminderungen zu beschleunigen und mehr finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer bereitzustellen. Bei jeder COP stellt diese Frage die reichen Industrieländer gegen die Schwellenländer.
In diesem Jahr kam noch ein weiteres Thema hinzu, das die Beziehungen zwischen den Länderblöcken belastet. Denn insbesondere Indien, China und andere Schwellenländer klagen über den CO2-Zoll der EU. Die Massnahme beschränke den internationalen Handel, warnen sie. Die Debatte schwelt seit Jahren und wird sich während künftiger Klimaverhandlungen nur weiter zuspitzen.
Die Anpassung an den Klimawandel rückt in den Mittelpunkt
Die Diskussion um die Zukunft der fossilen Brennstoffe lenkte derweil die Aufmerksamkeit von einem der zentralen Themen der diesjährigen Konferenz ab. Denn eigentlich sollte die Klimakonferenz Lösungen aufzeigen, wie sich Länder besser gegen Hochwasser, Hitzewellen, Waldbrände und Dürren wappnen. Vor allem ging es dabei um die dringend benötigte finanzielle Unterstützung für Entwicklungsländer.
Am Samstag einigten sich Länder darauf, die Finanzierung bis zum Jahr 2035 zu verdreifachen. Dabei sind vor allem die Industriestaaten gefordert. Auch das ist bitter für die EU. Denn sie hatte zwar Flexibilität signalisiert, Gelder für die Anpassung auf den Tisch zu legen. Aber im Gegenzug wollte sie Länder zu neuen Reduktionen von Emissionen verpflichten.
Regierungsvertreter aus Entwicklungsländern hatten derweil mehr Grund, zufrieden zu sein. «Die COP30 hat nicht alle Forderungen Afrikas erfüllt, aber es wurden bedeutende Schritte in die richtige Richtung gemacht», sagte Jiwoh Abdulai, der Klimaminister von Sierra Leone. Es gebe nun ein klareres Bewusstsein dafür, dass Staaten mit historischer Verantwortung auch besondere Pflichten bei der Klimafinanzierung hätten, sagte er.
Seit Jahren fordern Entwicklungsländer einen stärkeren Fokus darauf, wie sie ihre Bevölkerungen vor den Gefahren des Klimawandels schützen können. Dem Thema wurde lange zu wenig Beachtung geschenkt. Das hat sich auch darin ausgedrückt, dass die benötigten Investitionen in hitzeresistente Infrastruktur, Landwirtschaft oder Hochwasserschutz weit hinter dem liegen, was laut Experten benötigt wird. Noch fliesst laut einer Uno-Analyse weniger als ein Drittel der Klimafinanzierung durch die Industriestaaten in die Anpassung.
Während Aktivisten und Beobachter die Entscheidungen hinsichtlich der Finanzierung teilweise willkommen hiessen, zeigten sich einige Diplomaten aus Afrika zurückhaltender. Die Länder seien bereit, eine wichtige Rolle beim Ausbau der Erneuerbaren einzunehmen, sagte Ali Mohamed, der Sondergesandte Kenyas für Klimafragen. «Aber Industrieländer müssen ihre Finanzzusagen endlich einhalten – insbesondere bei der Anpassung – und Afrikas zentrale Rolle in der globalen Energiewende zu einer sauberen, grüneren Wirtschaft anerkennen», sagte er.
Die Energiewende ist im Gange
Mohamed spricht damit etwas an, was sich während der Verhandlungen klar gezeigt hat. Die globale Energiewende läuft weltweit an. Viele Länder sehen darin wirtschaftliche und industriepolitische Vorteile – auch wenn der Umstieg auf saubere Technologien noch zu schleppend verläuft, um die Klimaziele zu erreichen.
Für Brasilien stand derweil in diesem Jahr viel auf dem Spiel. Der Ausstieg der USA, der weltgrössten Wirtschaftsmacht und des zweitgrössten Emittenten, hat dem klimapolitischen Prozess einen grossen Schlag versetzt. Gleichzeitig konnte die diesjährige Klimaverhandlung von vornherein nichts Bahnbrechendes leisten, sondern wohl nur enttäuschen. Denn die Regeln und Verpflichtungen des Pariser Abkommens sind seit vergangenem Jahr verhandelt.
Mit dieser COP ging es nun um deren Umsetzung. Und das ist keine politisch aufregende, sondern eine mühsame Arbeit. Die Umsetzung der Klimaziele stelle eine grosse Herausforderung dar, sagte auch do Lago, der COP30-Präsident. «Denn zu Hause stehen unsere Regierungen unter vielfältigem Druck: dem Druck durch Wahlen, dem Druck durch Fake News, und dem Druck von einer Bevölkerung, die frustriert ist, dass das Klimaregime in dreissig Jahren nichts in ihrem Leben verändert hat.»
Brasilien habe auch deswegen die diesjährige COP in Belém ausgetragen, um die Herausforderungen und Chancen der Klima-Agenda für ein Schwellenland wie Brasilien aufzuzeigen, sagte do Lago: Neben allen Schwierigkeiten sei eines auch wahr: «Wir schaffen eine neue Wirtschaft, die erstaunliche Möglichkeiten für Wachstum und Arbeitsplätze bietet», sagte er. «Das ist keine Agenda, die spaltet.»