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«Die Menschheit ist kreativ»

Klimaforscherin Julia Schmale von der EPFL. Foto: PD

Klima & Energie

«Die Menschheit ist kreativ»

Umweltwissenschaftlerin Julia Schmale erforscht den Klimawandel in den Polarregionen – und bleibt trotz erschreckender Erkenntnisse optimistisch.

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Ivan Klima, der heute 91-jährige tschechische Schriftsteller wurde einst mit seinem Buch «Laska a smeti» – «Liebe und Müll» berühmt. In den 1980er-Jahren war seine Prognose ziemlich düster: «Weil nichts von der Oberfläche des Planeten verschwindet, werden uns die Folgen unserer Taten eines Tages begraben.» Dass wir von den Umweltsünden in der Vergangenheit eingeholt werden, ist auch Teil des Alltags der Klimaforscherin Julia Schmale von der EPFL. Ursprünglich hat die Professorin sich mit dem Thema Abfall auseinandergesetzt. «Mich hat interessiert, wie wir die Atmosphäre missbrauchen: als unsichtbare Mülldeponie mit globalen Auswirkungen.»

Von dieser Erkenntnis ist es nicht weit zum Klima, der Materie, die Julia Schmale heute beschäftigt. Nach Stationen an Universitäten und Forschungseinrichtungen in Leoben (Österreich), Mainz, Potsdam und dem Paul Scherrer Institut in Villigen gehört sie heute international zu den Spezialistinnen und Spezialisten für die Beschaffenheit der Atmosphäre, und insbesondere der Wechselwirkung kleiner Partikel wie Aerosole mit Wolken. Wissenschaftlerinnen wie Julia Schmale wollen die Prozesse in der Atmosphäre erkunden, die sich um andere Substanzen als Kohlenstoffdioxid drehen, die direkt vom Menschen beeinflusst werden, und solche, die einem natürlichen Wandel unterliegen.

Als Assistenzprofessorin an der EPFL, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, lehrt sie im Bereich Umweltwissenschaften und Engineering, leitet das «Extreme Environments Research Laboratory (EERL)» und arbeitet in diversen Teams, so auch am Umweltforschungszentrum ALPOLE. Dort untersucht sie die klimatreibenden Veränderungen in den Alpen und den Polarregionen – reine Grundlagenforschung. Es geht nicht um technische Anwendungen, sondern darum, Veränderungsprozesse, deren Ursachen und Auswirkungen besser zu verstehen. Die Region um den Nordpol, die zentrale Arktis, ist besonders interessant, weil sie sich bis zu viermal schneller erwärmt als der Rest der Erde. «Hier passiert heute schon, was anderen Weltregionen noch droht», erklärt die Professorin. „Städte wie Tromsö leben quasi schon im Jahr 2060.“

Foto: PD

Photo Credit: Michael Gutsche

2016 war Julia Schmale in der Antarktis vorindustriellem Feinstaub auf der Spur, also Luftpartikeln aus Meersalz und Phytoplankton, die hier, am entlegensten Flecken der Erde, mutmasslich annähernd so rein sind wie vor mehr als 250 Jahren. Als Atmosphärenforscherin braucht sie diese vergleichsweise reine Luft als Referenzwert, um zu erfahren, wie sich die Zusammensetzung und Prozesse in der Luft im Verlauf der Zeit verändert hat.

Auch bei der internationalen MOSAiC-Forschungsexpedition hat sie eine führende Rolle, der bisher grössten Expedition in die zentrale Arktis. Ziel von MOSAiC (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) war es, die Prozesse in der Natur zu erkunden und mithilfe von Klimamodellen so darzustellen, dass man verlässliche Prognosen treffen kann. Anders als in der «sauberen» Antarktis transportierten ungewohnt warme Luftmassen industriellen Feinstaub aus Eurasien dorthin, zusätzlich zu der jährlichen Akkumulation von Luftschadstoffen im Winter in der Zentralarktis. Die Messgeräte registrierten Rekordwerte. Feinstaub ist ein Problem für das Klima, denn er verunreinigt nicht nur die Atmosphäre, sondern reflektiert und absorbiert Sonnenstrahlung, und trägt auch zur Wolkenbildung bei. Und Wolken über dem Eis stauen die Erdwärme. Die Folge: Die Temperaturen sinken in der polaren Nacht nicht mehr so stark. Die Erwärmung beschleunigt sich.

«Hier passiert heute schon, was anderen Weltregionen noch droht»

Fragt man die Forscherin mit ihrer 15-jährigen Erfahrung in Polargebieten nach ihrer bislang wichtigsten Erkenntnis, überlegt sie nicht lange: «Die Änderungen in der Arktis sind immer schneller und extremer, als man sich das je vorgestellt hat. Trotz unseres Hintergrundwissens. Das beunruhigt mich sehr. Und es motiviert mich, weiter zu forschen.»

Bis 2026 engagiert sich Julia Schmale auf internationaler EPFL-Mission in Grönland, finanziert aus Mitteln des Schweizer Polar Instituts. Hier geht es um die Auswirkungen einer beschleunigten sozial-ökonomischen und Umweltveränderung auf den Nährstoff- und Kohlenstoffkreislauf der Fjorde sowie der atmosphärischen Zusammensetzung, die sich aus den Änderungen ergeben wird. Julia Schmale brennt für diese Mission: «Wenn wir nicht jetzt dieses Wissen zutage fördern, ist es zu spät, dann werden wir nie wieder die Chance bekommen, dies zu tun!» Die Verantwortung sei gross, die Motivation aber auch.

Sie geht mit grossem Ernst, aber auch mit Optimismus ihre wissenschaftliche Tätigkeit an: «Als Professorin sehe ich so viele interessierte und talentierte junge Leute. Sie stellen die richtigen Fragen, haben sehr gute Ideen. Das gibt mir definitiv Hoffnung. Die Menschheit ist kreativ und intrinsisch motiviert, sich weiterzuentwickeln. Ich bin sehr optimistisch, dass wir die Herausforderungen des Klimawandels meistern können.»

Foto: PD

Photo Credit: Delphin Ruche

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von EPFL erstellt.

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