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EPFL-Professorin Ardemis Boghossian und ihr Team verwandeln E.-coli-Bakterien in «elektrische Mikroben». Foto: EPFL

Klima & Energie Partner Inhalt: EPFL

Bakterien als Stromquelle

Professorin Ardemis Boghossian und ihr Team von der EPFL haben vielseitig einsetzbare Bakterien gezüchtet, die Strom produzieren. Die Vorlage lieferten exotische Mikroben, die mithilfe spezieller Stoffwechselwege von sich aus Elektrizität erzeugen.

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Bakterien als Stromquelle

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Dank der Forschungsarbeit der EPFL-Professorin funktioniert die molekulare Maschinerie zur Stromerzeugung nun auch im Bakterium Escherichia coli (abgekürzt E. coli). Das «elektrifizierte» Darmbakterium ist extrem flexibel und könnte etwa in neuen Brennstoffzellen, bei der Aufbereitung von Abwässern oder als Biosensor zum Einsatz kommen, wie Ardemis Boghossian im Interview erläutert. «Es gibt fast keine Grenzen für das, was wir mit Mikroben erreichen können!»

Warum produzieren Mikroben in der Natur Strom?

Ardemis Boghossian: Die Bedürfnisse der Bakterien sind im Grunde sehr ähnlich wie unsere. Sie müssen auch organisches Material wie Zucker aufnehmen, um Energie zu gewinnen. Bei diesem Prozess entstehen Elektronen, die die Mikroben loswerden müssen, um nicht zu sterben. Eine Möglichkeit ist, diese Elektronen an Sauerstoff abzugeben. Die Bakterien, um die es hier geht, leben aber unter anaeroben Bedingungen, also ohne Sauerstoff. Sie brauchen eine andere Option und haben einen ganz eigenen Mechanismus entwickelt. Sie geben ihre Elektronen an Metalle in der Umgebung ab. Dabei entsteht Elektrizität. Nicht für einen bestimmten Nutzen, sondern als Nebenprodukt.

Warum arbeiten Sie nicht direkt mit diesen Mikroben, sondern mit E.-coli-Bakterien?

E. coli ist eigentlich ein Darmbakterium. Es ist in der Wissenschaft aber auch schon lange als Modellorganismus etabliert, also sehr gut untersucht und leicht zu handhaben. Bei meinen Projekten habe ich immer mit E. coli gearbeitet. In diesem Fall war das nicht als endgültige Anwendung gedacht, sondern sollte nur das Projekt zum Laufen bringen. Dann haben wir aber gesehen, dass E. coli echte Vorteile hat. Es kann auf verschiedenen Substraten wachsen, also ganz unterschiedliche Nahrungsquellen nutzen. Wir haben diese Fähigkeit mit denen der natürlich vorkommenden Mikroben verglichen, indem wir beide Mikroben in den Abwässern einer Brauerei aus Lausanne gezüchtet haben. E. coli war glücklich, während der natürliche Organismus sehr wählerisch war – und eingegangen ist. Vielleicht hat eine Nahrungsquelle gefehlt oder ein anderer Faktor wie der pH-Wert hat nicht gepasst.

Sie haben die Maschinerie für die Stromproduktion aus diesen Mikroben in E. coli eingebaut. Wie darf man sich das vorstellen?

Vielleicht ist das E-Bike ein anschauliches Bild: Man möchte ein Fahrrad, das Strom erzeugen kann – und baut dafür Teile eines Motors an. Entsprechend haben wir Proteine aus den natürlicherweise elektrischen Mikroben genommen und sie auf E. coli übertragen. Das war sehr aufwendig, hat aber funktioniert – und eine wichtige Frage aufgeworfen. Nicht das Bakterium braucht die Elektrizität, sondern wir Menschen. Die Produktion von Strom ist aus der Sicht von E. coli also eine Verschwendung von Energie, die auch anders genutzt werden könnte. Würde die Mikrobe den betreffenden Stoffwechselweg mit der Zeit also einfach stilllegen? Unsere Tests haben hier aber eine Überraschung geliefert. Es sieht so aus, dass E. coli in einer Umgebung ohne Sauerstoff mit Strom besser wächst als ohne. Möglicherweise ist der Mechanismus unter bestimmten Bedingungen also doch von Vorteil.

«Es gibt fast keine Grenzen für das, was wir mit Mikroben erreichen können!»

Welche Anwendungen könnten die elektrischen E.coli liefern?

Bei der Vielfalt an Anwendungsbereichen sehe ich eigentlich kein Limit. Zurzeit sind insbesondere Anwendungen im Energiesektor, in der Umwelttechnik und in der Chemieindustrie interessant. Eine entscheidende Anwendung ist natürlich die Stromerzeugung. Wenn es darum geht, eine Lampe anzuschalten, sind die Mikroben nicht schnell genug, um ausreichend Strom zu produzieren. Hier werden wir auch weiterhin gespeicherte Energie brauchen. Die Mikroben könnten also nicht das ganze System ersetzen, aber eine wichtige Ergänzung sein. Ich denke, sie wären in der Lage, viele der bestehenden Prozesse zu übernehmen – was in Teilen die Erzeugung von Strom abschaffen würde. Im Grunde ist das momentan noch eine Art Zwischenstufe. Wir produzieren Strom, um ihn dann für viele verschiedene Zwecke nutzen zu können. Die beiden Schritte sind getrennt, also müssen wir Strom für eine spätere Verwendung speichern. Das ist beispielsweise bei der Photovoltaik immer noch ein Problem. Die Bakterien könnten dagegen für Prozesse wie die Aufbereitung von Abwasser genutzt werden – und sie würden gleichzeitig Strom produzieren. Das wäre eine Art Kreislaufwirtschaft.

Arbeiten Sie mit Ihrer Gruppe an solchen praktischen Anwendungen?

Dieser Bereich hat grosses Potenzial, weshalb zwei Forscher aus meinem Team, Dr. Mohammed Mouhib und Dr. Melania Reggente, einen Prototypen für die Lebensmittelindustrie entwickeln. In dieser Hinsicht arbeiten wir an der Gründung eines Startup-Unternehmens. Ich sehe hier eine Marktchance und bleibe deshalb hartnäckig daran. Im Moment ist es so, dass Leute Abfälle einfach abladen. Abwässer werden dann in der Kläranlage aufbereitet, aber nicht genutzt. Damit verpassen wir eine Gelegenheit, weil Mikroben das verwerten könnten. Und die Bakterien an sich sind billig. Es geht jetzt nur um das nötige Kapital, hier den Anfang zu machen. Wir möchten auch mit der Lebensmittelindustrie zusammenarbeiten und eine Pilotanlage in Betrieb nehmen. Alle Unternehmen, die diese Art von Abwasser haben, würden davon profitieren und könnten den eigenen Kohlenstoff-Fussabdruck reduzieren. Es gibt aber noch viele andere Ideen, darunter auch Biosensoren. Wir könnten E.-coli-Stämme züchten, die nur ein Substrat wie eine bestimmte Chemikalie verwerten. Wenn sie dann Strom produzieren, wäre das ein Signal, dass der Stoff vorhanden ist – was Kontaminationen anzeigen könnte.

Was gab den Ausschlag für die EPFL als Umgebung für Ihre Wissenschaft?

Ich habe mich schon als Kind für Bakterien mit besonderen Fähigkeiten wie die Produktion von Strom interessiert. Ich bin aber Chemieingenieurin. Warum sollte mir jemand Geld geben, um Biologie zu betreiben? Dazu kommt, dass mein Projekt als sehr riskant galt. An der EPFL gibt es aber eine eigene Finanzierung für solche Ansätze. Das bedeutet, dass Ideen getestet werden und erste Ergebnisse fliessen dann in die Bewerbungen für weitere Zuschüsse. Anders gesagt: Die EPFL hat mir die Möglichkeit zur Flexibilität geboten. Ich konnte ausserhalb meines Fachgebiets arbeiten und dieses somit erweitern. Und das hat viel bedeutet.

Die Technologie ist sehr zukunftsträchtig. Wie gross ist die Konkurrenz?

Es ist nicht gut, wenn man allein an etwas arbeitet, weil es bedeuten kann, dass es nicht genug Potenzial gibt. Als ich mit dieser Arbeit angefangen habe, gab es keine echte Konkurrenz. Jetzt folgen uns aber einige Leute, und vor allem junge Wissenschaftler basieren ihre Ideen auf unseren Entwicklungen. Ich finde das aufregend, weil sie anders denken als ich und vielleicht ganz andere Wege einschlagen. Ich glaube wirklich, dass die Welt davon profitieren wird. Je mehr Köpfe sich mit einem Problem beschäftigen, desto besser.

Ardemis Boghossian ist seit 2015 Tenure-Track-Assistenzprofessorin am Institute of Chemical Sciences and Engineering (ISIC) der EPFL. Sie erwarb 2007 ihren Bachelor of Science in Engineering an der University of Michigan. Im Jahr 2012 promovierte sie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Chemieingenieurwesen. Als Postdoktorandin am California Institute of Technology entwickelte sie Zellen, die eine elektronische Schnittstelle zu Elektroden bilden können. An der EPFL verfolgt Boghossian einen stark interdisziplinären Ansatz zwischen Nanotechnologie und synthetischer Biologie.

Wenn Forschung Mikroben frisiert

Bakterien wie Geobacer sulfurreducens und Shewanella oneidensis bauen Nährstoffe in der Umwelt ab und produzieren dabei Strom. Ardemis Boghossian und ihr Team konnten die dazu relevanten Reaktionswege auf E.-coli-Bakterien übertragen und stellten damit einen Rekord auf. «Es war das erste Mal, dass dieser Stoffwechselweg in einer fremden Mikrobe komplett produziert wurde und dann noch sehr effizient Strom produzierte», so Boghossian. Mittlerweile ist man einen Schritt weiter. Bislang mussten die Mikroben für die Stromproduktion in Kontakt mit einer Elektrode sein. Neue E.-coli-Stämme verfügen über zwei Reaktionswege. Das erlaubt ihnen, auch aus der Distanz Elektrizität zu generieren – und macht sie noch flexibler.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von EPFL erstellt.

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