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«Lieber weniger versprechen, dafür umso konkreter»

Thomas Becker, Leiter für Nachhaltigkeit und Mobilität der BMW Group. Foto: PD

Klima & Energie Partner Inhalt: BMW

«Lieber weniger versprechen, dafür umso konkreter»

Thomas Becker, Leiter für Nachhaltigkeit und Mobilität der BMW Group, über das Ziel des Autoherstellers, seinen CO₂-Fussabdruck bis 2030 um 40 Prozent zu senken, obwohl die Zulieferer rund zwei Drittel dessen ausmachen – es gilt, alle in die Pflicht zu nehmen.

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Was halten Sie von der neuen Isetta?

Thomas Becker: (lacht) Wir haben in der Autoindustrie jahrzehntelang über Konsolidierung diskutiert: Unternehmen mit immer weniger Marken und Modellen. Erstaunlicherweise passiert nun genau das Gegenteil: mehr Angebote, mehr Anbieter und neue Länder, aus denen Autos kommen.

Aus Schweizer Sicht kann man stolz sein, dass hierzulande ein E-Auto in Anlehnung an BMWs Rollermobil aus den 1950er-Jahren gebaut wird. Doch: Macht ein elektrischer Stadtflitzer auf drei Rädern Sinn?

Ich kommentiere Wettbewerber nicht. Ich kann nur sagen: Ich habe mal eine von unseren Isettas gefahren – da sieht man den Fortschritt, den wir in der Zwischenzeit erreicht haben.

Eines der Nachhaltigkeitsziele der BMW Group ist es, dass bis 2030 mindestens die Hälfte der Fahrzeugauslieferungen auf vollelektrische Autos entfallen. Wie weit sind Sie aktuell?

Wir haben viele Verträge mit Zulieferern geschlossen, die nun sukzessive in die Umsetzung gehen. Das heisst, der Fussabdruck unserer Fahrzeuge geht kontinuierlich runter. Wir springen aber nicht auf einen Schlag, sondern wir befinden uns in einer Anflugkurve auf dieses Ziel. Entsprechend verändern sich Dinge im Landeanflug.

Inwiefern?

Wenn wir heute einen Verbrauchswert Liter pro Kilometer haben, dann ist der am ersten Tag gleich hoch wie am letzten Tag. Bei der Lieferkette von Fahrzeugen ist es so, dass wir während der Laufzeit eines E-Autos den Fussabdruck verringern können – und das ist bei elektrischen Fahrzeugen besonders wichtig. Zum Beispiel weil wir immer mehr Sekundärmaterial verwenden, indem wir unsere Umweltbilanz schon beim Einkauf von Produkten für die Herstellung verbessern.

Gilt das auch für Software-Updates?

Wir erzielen dadurch zwar Verbesserungen in der Nutzung eines Fahrzeugs, also auf der Strasse beim Kunden. Wir können jedoch nicht den Fussabdruck in der Herstellung rückwirkend verändern.

Und nach vorne betrachtet?

Wir lassen Ökobilanzen machen, die zeigen, dass jeder Nachfolger besser ist als sein Vorgänger und dass ich als Fahrer eines E-Autos – über eine realistische Lebensdauer hochgerechnet – auf jeden Fall netto positiv bin. Dazu gehört aber auch, dass ich als Nutzer die Verantwortung mittrage. Etwa indem ich zum Aufladen nur grünen Strom verwende.

Das Puzzle hat viele Teile …

… und wir müssen alle Stellschrauben nutzen. Es ist ein dickes Brett, das wir hier bohren. Extern fangen wir bei den grossen Brocken an, beispielsweise bei den direkten Einkäufen von Stahl und Aluminium oder von den Batteriezellen. Dabei kann es nicht bleiben. Wir müssen auch in der zweiten und dritten Stufe der Lieferkette vermehrt Massnahmen ergreifen, damit der Fussabdruck runtergeht. Hier sehen wir in den letzten Monaten viele positive Anzeichen einer Beschleunigung.

Die Krux ist, dass Ihre Zulieferer rund 70 Prozent des Fussabdrucks ausmachen. Ist das nicht ein bisschen wie zu kämpfen gegen Windmühlen?

Wenn wir nichts machen würden, dann hätten wir wahrscheinlich bald mehr CO₂ in den Bauteilen als auf der Strasse. Das geht natürlich nicht. Deshalb müssen wir das ändern und nehmen unsere Lieferanten vor- und nachgelagert in die Pflicht – im gemeinsamen Dialog. Dann passiert auch etwas. Viele unserer Lieferanten sind Unternehmen, die selbst eine ambitionierte Agenda haben. Sie arbeiten in energieintensiven Branchen, die politisch und öffentlich unter der Erwartung stehen, dass mehr passiert. Wir ziehen auf Kundenseite also zusätzlich dran.

Wie relevant beziehungsweise aktiv sind in diesem Zusammenspiel die Schweizer Zulieferer?

Wir merken, dass die Kompetenz vieler unserer Lieferanten massiv zunimmt. Speziell die Schweizer Unternehmen leben unsere Kernwerte wie Verlässlichkeit und Verbindlichkeit. Denn Vertrauen ist ein äusserst knappes Gut, gerade beim Thema Automobil. Wenn wir etwas behaupten, dann müssen wir auch belegen können, dass dem so ist oder dass wir es tun. Nur indem wir aktiv informieren, können wir kritischen Fragen standhalten – und dies für alle direkten und indirekten Bereiche, die unseren Fussabdruck ausmachen.

Die Autoindustrie hat nicht immer den besten Ruf, wenn es um Fakten geht. Nun gibt sich die BMW Group sehr transparent: Glauben Ihnen die Leute?

Da müssen Sie die fragen, die das überprüfen. Ich glaube jedoch: Wir haben des Öfteren bewiesen, dass wir das, was wir sagen, auch machen. Und manchmal sagen wir auch das, was draussen nicht gerade gerne gehört wird. Denn am Ende müssen wir das Vertrauen in unsere Ehrlichkeit sichern. Lieber etwas weniger versprechen, dafür umso konkreter – und liefern, was man behauptet.

Versprechen Sie deshalb, den Fussabdruck als Unternehmen bis 2030 um 40 Prozent zu senken, und proklamieren nicht gleich Netto-Null bis 2050?

Das Kernproblem hier ist die Geschwindigkeit, mit der wir vorankommen, und die bestimmen wir nicht allein. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Beispielsweise die Frage, wann es in welcher Menge CO₂-freien Stahl gibt, daran können wir ziehen und zur Dynamik beitragen, aber es nicht bestimmen. Ebenso das Hochfahren der Elektromobilität am Markt. Und wenn Sie als Autohersteller mit vollelektrischen Fahrzeugen wirklich CO₂-neutral sein wollen, dann heisst das, dass 100 Prozent Ihrer Kunden mit grünem Strom fahren. Entscheiden wir darüber, wann das wie schnell der Fall ist? Nein. Aber wir wissen, an welchen Hebeln wir in den nächsten sieben Jahren drehen können, um unser gestecktes Etappenziel zu erreichen.

Stapeln Sie nicht zu tief?

Wir schauen uns jetzt schon an, wie es danach weitergeht. Aber der Punkt, an dem ich sage: Das ist ein konkretes Ziel, das in Vorgaben für eine grosse Menge von Leuten in unserem Haus übersetzt wird, die anschliessend daran gemessen werden, die dürfen erwarten, dass ich nicht irgendeine Aussage mache, mit der ich draussen gut punkte, sondern die können zurecht erwarten, dass dahinter ein realistisches Mass an Sorgfalt und Sicherheit steckt.

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Strommangellage, Rezession bis Inflation: Welchen Einfluss hat die aktuelle Grosswetterlage auf Ihre Ambitionen?

Wir können heute aus diversen Gründen leider nicht so viele Fahrzeuge bauen, wie wir verkaufen könnten, weil wir nach wie vor die Herausforderung der Halbleiter-Verfügbarkeit haben. Und auch wir hatten wegen des Ukraine-Kriegs einige Unterbrechungen, die wir mittlerweile wieder gut im Griff haben. Aber aktuell ist das Thema Chips für alle in der Autoindustrie weiterhin eine Herausforderung.

Mit Blick auf die nächsten sieben Jahre auf 2030: Was bedeutet das für Ihre Ambitionen, zu 50 Prozent vollelektrisch zu werden?

Wir haben viele E-Absatzmärkte, in denen es sehr schnell vorangeht. Nicht nur die üblichen Verdächtigen wie Norwegen, sondern beispielsweise auch die Schweiz, Grossbritannien, Belgien und Frankreich. Wir haben in Europa aber ein massives Nord-Süd-Gefälle und ein Ost-West-Gefälle. Wenn wir nur über vollelektrisch reden, dann sind aber nicht die ersten 50 Prozent die Knacknuss, sondern die letzten 25 Prozent. Nämlich Leute, die in Regionen leben, wo die Infrastruktur-Ausstattung defizitär ist. Schauen Sie sich mal Italien oder Spanien an: Das sind grosse Märkte, wo es entscheidend ist, dass es anders wird. Das können wir als Autohersteller nicht steuern, aber wir werden ein elektrisches Angebot in jedem Segment haben, um möglichst schnell voranzukommen.

Und wie realistisch ist es, den Fussabdruck als Unternehmen bis 2030 um 40 Prozent zu senken?

Sehr. Unser Fussabdruck wird durch Elektrifizierung deutlich runtergehen, aber er wird noch stärker runtergehen, indem wir elektrifizieren und parallel dazu die Lieferkette in den Griff bekommen. Wir machen beides, und zum Erreichen des Pariser Klimaabkommens müssen Sie als Unternehmen beides machen. Sonst kommen Sie nur zu einer CO₂-Neutralität, für die Sie ganz viel kompensieren müssen – oder Sie erreichen sie nicht. Unser Ansatz ist aber nicht das Kompensieren: Wenn wir uns Minderungsziele setzen, dann wird gemindert. Wozu wir uns aufgrund des Engagements in der Science Based Targets initiative (SBTi) verpflichtet haben.

Gilt das auch für Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselantrieb?

Ja. Solange wir Verbrenner herstellen und verkaufen, machen wir auch diese effizienter. Wir investieren nach wie vor in die Nachhaltigkeit dieser Antriebe – und dies von der Erzgrube bis zum 200 000-sten Kilometer.

Was treibt Sie persönlich an, PS für eine nachhaltige Zukunft auf die Strasse zu bringen?

Dass wir als BMW Group auch in zehn Jahren noch dem gerecht werden, was zu Recht von uns erwartet wird – von unseren Kunden, von unseren Partnern, von unseren Investoren und allgemein von der Gesellschaft. Dafür gehe ich mit gutem Beispiel voran.

Zur Person

Dr. Thomas Becker ist seit etwas mehr als drei Jahren Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit und Mobilität bei der BMW Group in München. Davor war er von 2007 bis 2019 Leiter der Abteilung Politik und Aussenbeziehungen und verantwortete unter anderem die globale CSR- und Nachhaltigkeitskommunikation des Unternehmens.

Thomas Becker begann seine Karriere als Referent in der Abteilung für Umweltpolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Später nahm er verschiedene leitende Positionen beim Verband der Automobilindustrie (VDA) in Frankfurt ein.

Die BMW Group mit Hauptsitz in München ist mit ihren vier Marken BMW, Mini, Rolls-Royce und BMW Motorrad einer der führenden Premium-Hersteller von Automobilen und Motorrädern. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 125 000 Mitarbeitende.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von BMW erstellt.

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