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Wer wünscht sich das nicht? Alt zu werden und dabei fit zu bleiben. Bild: IMAGO / YAY Images

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Longevity: Zwei altbekannte Medikamente versprechen, das gesunde Altern zu verlängern

Substanzen wie Rapamycin und Metformin verlangsamen bestimmte Alterungsprozesse. Sie werden intensiv erforscht, und die Hoffnungen sind gross. Selbstversuche sind allerdings nicht zu empfehlen.

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Longevity: Zwei altbekannte Medikamente versprechen, das gesunde Altern zu verlängern

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Ständig wenig essen – das erhöht die Chance auf ein langes Leben. Aber seien wir ehrlich, das ist für die allermeisten Menschen ein unerträglicher Zustand. Es bedeutet immer wieder Verzicht, Hunger und auch zunehmende Einsamkeit. Schliesslich finden viele soziale Aktivitäten in geselliger Runde bei einem Essen statt.

Umso verlockender ist es, mit einem Medikament unseren Energiestoffwechsel ähnlich wie durch Fasten günstig zu beeinflussen. Es gibt Mittel, die genau das tun. Zwei sind bereits gut erforscht. Nun besteht die Hoffnung, dass sie auch das Altern hinauszögern.

Am vielversprechendsten erscheint derzeit Rapamycin. Die Substanz wurde 1975 in einem Bodenbakterium auf der Insel Rapa Nui, auch Osterinsel genannt, gefunden. Daher stammt ihr Name. Zuerst fiel auf, dass die Substanz das Wachstum von Pilzen hemmt – damit wehrt sich das Bakterium gegen die unerwünschten Schädlinge. Doch das war noch längst nicht alles. In den folgenden Jahren legte Rapamycin eine steile Karriere in der Medizin hin und wurde für spezifische Anwendungen zugelassen.

Mit Rapamycin bleiben Tiere länger gesund

So dämpft Rapamycin das Immunsystem und wird daher nach Nierentransplantationen gegeben, um eine Abstossung des neuen Organs zu verhindern. Zudem wird es nach dem Einsetzen eines Stents in Herzkranzgefässe verabreicht. Hier verhindert es, dass sich die Gefässe nach dem Eingriff sofort wieder verengen.

Vor mehr als fünfzehn Jahren stellte sich sozusagen nebenbei in Versuchen mit Mäusen heraus, dass Rapamycin das Leben der Tiere um mehrere Monate verlängert. Das ist enorm viel, wenn man bedenkt, dass eine Maus im Normalfall nur maximal drei Jahre lebt. Nicht nur Mäuse, auch andere Tiere blieben dank der Substanz aus den Osterinsel-Bakterien länger gesund und entwickelten – wenn überhaupt – später typische Alterskrankheiten wie Herzschwäche oder Krebs.

Zumindest teilweise gilt das auch für Menschen. Rapamycin verzögert oder mindert manche mit dem Altern verbundene Prozesse im Immun- und im Herz-Kreislauf-System sowie in der Haut, wie ein Team um Andrea Maier von der National University of Singapore nach der Begutachtung von knapp 20 klinischen Studien festhielt. Das galt sowohl für Gesunde als auch für Personen mit bereits aufgetretenen Alterskrankheiten. Viele der vorliegenden Studien umfassten jedoch nur eine kleine Gruppe von Probanden, die maximal zwei Jahre beobachtet wurden.

Rapamycin ist ein Trickser

Ein Blick in das Innere von Zellen verrät, wie Rapamycin wirkt. Die Substanz blockiert einen wichtigen Taktgeber im Energiestoffwechsel namens TOR. Dieser Proteinkomplex merkt, wann Energie in Form von Nahrung in den Körper kommt. Als Reaktion startet er die Verarbeitung der einzelnen Bestandteile der Nahrung. Wenn jemand hungert, gibt es jedoch nichts zu verarbeiten und also auch nichts zu regeln. Das TOR wird träge und arbeitet nur noch eingeschränkt. Genau das passiert auch, wenn sich Rapamycin daran bindet.

In der Folge erlahmt das Zellwachstum. Somit entstehen weniger für die Zelle schädliche Abfallprodukte. Entzündungen werden gedämpft, weil das Immunsystem nicht mehr angeheizt wird. Erhält eine Zelle keine Signale zum Wachsen mehr, kann sie sich intensiver um die interne Müllabfuhr kümmern. Defekte Zellbestandteile werden abgebaut. All das sind Aktivitäten, die Zellen und Organe effizienter und gesünder machen.

«Ich halte Rapamycin für sehr vielversprechend, daher habe ich vor einiger Zeit einen Selbstversuch gestartet», erzählt der Langlebigkeitsforscher Matt Kaeberlein von der Firma Optispan. «Ich hatte eine schmerzhafte Schulterentzündung. Nach zehn Wochen mit einer niedrigen Dosis Rapamycin waren die Probleme weg.» Seitdem absolviert er ein- oder zweimal jährlich solch eine zehnwöchige Behandlung. Aber er warnt vor Nachahmung ohne ärztliche Kontrolle. Niemand könne derzeit sagen, welche langfristigen Auswirkungen, positive wie negative, das habe.

Noch ist völlig unklar, ob Rapamycin tatsächlich auf lange Sicht lästige Alterserscheinungen verlangsamen oder gar Krankheiten hinauszögern kann. Ebenso ist offen, welche Dosis ohne gravierende Nebenwirkungen über Jahre hinweg eingenommen werden kann. Denn wie erwähnt hemmt Rapamycin das Immunsystem. Die Probanden in den erwähnten Studien litten vermehrt unter Infektionen mit Viren, Bakterien oder auch Pilzen. Zudem stiegen ihre Blutfettwerte.

Da viele Forscher in Rapamycin grosses Potenzial als Mittel gegen Alterskrankheiten sehen, zugleich aber Sicherheitsbedenken haben, werden derzeit chemisch ähnliche Substanzen mit hoffentlich gleicher Wirkung, aber weniger Nebenwirkungen entwickelt. Auch wird eine phasenweise Einnahme mit längeren Pausen untersucht. Zudem werden in Tierversuchen geringe Dosen von Rapamycin in Kombination mit anderen Medikamenten erprobt. Laut einer Arbeit von Forschern des Max-Planck-Instituts für Biologie des Alterns in Köln liess ein Cocktail aus Rapamycin und einem Krebsmedikament Mäuse mehrere Monate länger und zugleich gesund leben.

Die zweite Karriere des Diabetesmittels Metformin

Ein weiteres Medikament, das unseren Energiestoffwechsel beeinflusst, ist Metformin. Es wird seit Jahrzehnten gegen Diabetes Typ 2 verabreicht. Auch Metformin greift an mehreren Stellen in den Energiestoffwechsel ein, allerdings an anderen Stellen als Rapamycin. Das Diabetesmittel hemmt die Zuckerproduktion in der Leber. Zugleich wird im Darm weniger Zucker aus der Nahrung aufgenommen und mehr des bereits vorhandenen Zuckers in Gewebe transportiert.

In vielen Studien zeigte sich, dass die damit behandelten Patienten länger gesund lebten als die jeweilige Kontrollgruppe. Beispielsweise hatten Frauen mit Metformin-Therapie nach der Menopause ein 30 Prozent niedrigeres Risiko, vor dem 90. Geburtstag zu sterben, als Frauen ohne das Medikament. Forscher der Taipei Medical University berichteten kürzlich, dass bei langjähriger Einnahme von Metformin die Lebensspanne bei Übergewichtigen erhöht und das Risiko für eine Demenz verringert gewesen seien. Es gibt Hinweise, dass das Diabetesmedikament das Risiko für manche Krebsarten senken könnte.

Der Vorteil von Metformin gegenüber Rapamycin ist, dass mittlerweile Daten über eine jahrelange Einnahme vorliegen. Das Mittel erwies sich als sicher auch im Langzeitgebrauch. Allerdings nimmt die Muskelmasse ab. Doch es gibt ein zweites und grösseres Aber: Nach wie vor ist unklar, ob auch Menschen, die keinen Diabetes haben und auch nicht übergewichtig sind, in ähnlichem Ausmass profitieren wie die Patienten. Tierversuche lieferten hierzu keine eindeutigen Ergebnisse.

In den USA versuchen Forscher seit mehreren Jahren, eine grosse klinische Studie namens TAME (Targeting Aging with Metformin) auf die Beine zu stellen. Sie wollen herausfinden, ob eine jahrelange Metformin-Einnahme bei zu Beginn völlig gesunden Menschen das Leben und vor allem die gesunde Lebenszeit verlängert.

Was die Aminosäure Taurin kann

Nicht nur zugelassene Medikamente, auch andere Substanzen gelten als Hoffnungsträger im Kampf gegen das Altern. Einen regelrechten Hype gibt es seit einiger Zeit um die Aminosäure Taurin. Der Körper produziert sie selber. Sie soll unter anderem die Muskeln oder das Immunsystem stärken. Bei Mäusen verlängert sie das Leben.

Als vor zwei Jahren bekanntwurde, dass sich die Menge im Blut bei Tieren und Menschen mit zunehmendem Alter verringert, stürzten sich Langlebigkeitsfans auf das Molekül. Fortan galt die Einnahme der Aminosäure als Muss. Dementsprechend ist Taurin mittlerweile in zahlreichen Energydrinks enthalten sowie Bestandteil von Nahrungsergänzungsmitteln.

Doch nun legte eine Arbeitsgruppe der National Institutes of Health um Rafael de Cabo neue Daten vor. Gemäss diesen nimmt die Taurin-Menge im Körper keineswegs mit zunehmendem Alter ab. Man habe nur individuelle Unterschiede gefunden. Möglicherweise hilft eine zusätzliche Einnahme nur Menschen, die per se wenig produzieren. Ohnehin ist nach wie vor nicht bewiesen, ob Taurin bei Menschen tatsächlich die negativen Begleiterscheinungen des Alterns hinauszögern kann.

Ein echter Jungbrunnen ist also nach wie vor nicht gefunden. Aber das bedeutet nicht, dass wir tatenlos bleiben müssen. Untersuchungen haben schliesslich gezeigt, was die Chancen auf ein gesundes Altern tatsächlich erhöht: eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf sowie Bewegung und zufriedenstellende Sozialkontakte.

Stephanie Lahrtz, «Neue Zürcher Zeitung» (21.08.2025)

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