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Menschen mit Beeinträchtigungen sind für das Seifenrecycling zuständig

Menschen mit Beeinträchtigungen sind für das Seifenrecycling zuständig. Bilder: Sapocycle

Produktion & Konsum

Mit Seife Leben retten

Sapocycle ist die erste Non-ProfitOrganisation in Europa, die übrig gebliebene Seifen in Hotels sammelt und in lebensrettende Hygieneprodukte verwandelt. Die Seifen werden von Menschen mit Beeinträchtigungen recycelt und an Familien in Not verteilt.

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Mit Seife Leben retten

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In Industrienationen gelten Badezimmer als Selbstverständlichkeit, Hygiene als Privatsache. Doch für Menschen am Rand der Gesellschaft – Obdachlose, Armutsbetroffene oder Geflüchtete – kann der Zugang zu Wasser und Seife den entscheidenden Unterschied machen: zwischen Ausgrenzung und Teilhabe. Wer sich waschen kann, gewinnt nicht nur an körperlichem Wohlbefinden, sondern auch an sozialer Würde – und erhöht die Chancen auf einen Weg zurück in ein geregeltes Leben.

Enormer Ressourcenverlust

Die Schweizer Organisation Sapocycle aus Basel zeigt, dass Hygiene mehr ist als Sauberkeit: Sie ist eine Frage der Menschenwürde. Während in vielen Ländern Menschen keinen Zugang zu Hygieneprodukten haben, landen täglich Millionen kaum genutzter Hotelseifen im Müll. In der Schweiz allein werden jährlich rund 150 Tonnen Hotelseife weggeworfen – ein enormer Ressourcenverlust, der zudem einen CO2-Fussabdruck von etwa 340 Tonnen verursacht.

Sapocycle will diesen Kreislauf durchbrechen. Die Organisation wurde 2014 von Dorothée Schiesser gegründet und entwickelte sich in kurzer Zeit zu einer sozialen Bewegung. Schiesser sammelt unbenutzte Seifen aus Hotels, recycelt sie. Die wiederaufbereiteten Produkte werden kostenlos an soziale Organisationen in der Schweiz verteilt – darunter Frauenhäuser, Notunterkünfte oder Hilfswerke. «Was für Hotels Abfall ist, kann für andere Menschen den Zugang zu grundlegender Hygiene ermöglichen und den Selbstwert steigern», erklärt Schiesser.

Aus Alt wird Neu: frisch duftende Seifenstücke von Sapocycle.

Ein zentrales Element von Sapocycle und seinem Programm «Bubbles saving lives» (Seifenblasen retten Leben) ist die Zusammenarbeit mit dem Wohnwerk Basel, einer sozialen Einrichtung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Dort werden die gesammelten Seifen unter strenger bakteriologischer Kontrolle gereinigt, aufbereitet und neu geformt. Je nach Auftragslage arbeiten sechs bis zehn Personen für das Projekt.

«Unsere Seifen nutzen nicht nur ungebrauchte Ressourcen, sie bieten auch Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit, Teil einer nachhaltigen Bewegung zu sein», sagt Schiesser. Einige Mitarbeitende seien bereits seit zehn Jahren bei dem Projekt und hätten über die Jahre grosse Entwicklungsschritte gemacht.

Was viele nicht wissen: Flüssigseife ist im Vergleich zur festen Variante ökologisch deutlich problematischer. Sie besteht zu 80 Prozent aus Wasser, benötigt Konservierungsstoffe auf Erdölbasis und ist meist in Einwegplastik verpackt. Ersetzt man einen Liter Flüssigseife durch feste Seife, so lässt sich dadurch rund ein Kilogramm Plastik einsparen. «Feste Seifen sind unterschätzte Helden im Kampf gegen Plastikmüll», betont Dorothée Schiesser.

Dank einer Partnerschaft mit dem Sammelsystem «Bring Plastic Back» werden die weggeworfenen, nur halbbenutzten Kunststoffbehälter mit Flüssigseife nicht einfach entsorgt, sondern nach der Entleerung an die Thurgauer InnoRecycling AG, einem führenden Schweizer Unternehmen für Kunststoffverwertung, übergeben. Dort wandelt man die Spenderflaschen in neue Materialien um – so wird der Kreislauf für Plastikmüll geschlossen.

Internationale Partnerschaften

Ein weiterer strategischer Pfeiler sind Kooperationen mit Seifenherstellern. Viele dieser Firmen haben Produktionsüberschüsse – etwa durch Farbfehler oder veränderte Duftnoten. Diese Restprodukte werden oft verbrannt, anstatt wiederverwendet zu werden. Besonders problematisch ist dies bei Flüssigprodukten in Plastikverpackungen – sie setzen bei der Verbrennung schädliche Stoffe frei. «In Frankreich arbeiten wir bereits mit Seifenherstellern, in anderen Ländern ist das noch schwierig», berichtet Schiesser. So fehle es in der Schweiz bisher an Transparenz und öffentlicher Unterstützung. In Frankreich dagegen sei die Corporate Social Responsibility (CSR) weiterentwickelt, und das gesellschaftliche Engagement lasse sich gegenüber Aktionären und Konsumenten sehr glaubhaft kommunizieren. «Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur Umweltschutz, sondern auch soziale Verantwortung – das darf man nicht trennen», ist Schiesser überzeugt.

Was viele Konsumentinnen und Konsumenten nicht wissen: Flüssigseife ist im Vergleich zur festen Variante ökologisch deutlich problematischer.

Heute zählt Sapocycle mehr als 280 Hotels, zwei Werkstätten und einen Logistikpartner in der Schweiz, in Frankreich und Deutschland zu seinem Netzwerk. Partnerschaften in Italien sollen folgen. Schiesser: «Ziel ist es, unser Programm auch in Ländern zu etablieren, in denen Tourismus auf Armut trifft.»


«Ein Stück Würde zurückgeben»

Dorothée Schiesser, Gründerin von Sapocycle, über ihr nachhaltiges Engagement.

Wie sind Sie auf Ihre Recycling-Idee gekommen?

Dorothée Schiesser: Mein Mann war lange Zeit im Verwaltungsrat des Grand Hotels Les Trois Rois in Basel. Die Frage der Abfallentsorgung in der Luxushotellerie war schon immer ein Diskussionsthema bei uns.

Was reizt Sie persönlich an der Verbindung zwischen Hotellerie und sozialem Engagement?

Schiesser: Ich mag den Spagat zwischen zwei Welten – zwischen Luxus und Armut. Ich kenne die Hotelbranche gut. Doch mir war immer wichtig, auch sozial etwas zu bewegen. Ich brauche beides, Luxus allein wäre mir zu langweilig.

Dorothée Schiesser, Gründerin von Sapocycle.

Worauf sind Sie besonders stolz?

Schiesser: Ich bin stolz, dass wir ein einzigartiges Projekt aufgebaut haben. Besonders bewegt mich, wie Menschen mit geistiger Beeinträchtigung bei uns Verantwortung übernehmen und wachsen können. Und dass wir Menschen in Not mit etwas so Alltäglichem wie Seife ein Stück Würde zurückgeben können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Sapocycle?

Schiesser: Mein grosser Wunsch ist, dass mehr Menschen verstehen, welche Vorteile feste Seife gegenüber Flüssigseife bietet – nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Haut. Und natürlich wünsche ich mir, dass wir noch mehr Seife bekommen, um sie an Bedürftige weiterzugeben.

Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

3 - Gesundheit und Wohlergehen
8 - Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
10 - Weniger Ungleichheiten
12 - Verantwortungvoller Konsum und Produktion

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