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Klima & Energie

Nach dem Klimagipfel: Wie verändern Klimazölle die Welt?

Die EU hat seit Oktober einen CO2-Grenzausgleich. Der soll sicherstellen, dass die heimische Industrie trotz Emissionspreisen und grünen Auflagen im weltweiten Wettbewerb bestehen kann. Entwicklungsländer sind verärgert – und haben das in Dubai auch deutlich gezeigt.

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Handelsstreitigkeiten werden längst nicht mehr nur in der Welthandelsorganisation (WTO) ausgefochten, sie tauchen zunehmend auch bei den Klimakonferenzen auf. Das wurde während der Verhandlungen in Dubai, die vergangene Woche zu Ende gegangen sind, sehr deutlich – und hat vor allem mit der EU zu tun.

Im Oktober führte die EU den weltweit ersten CO2-Grenzausgleich ein. Mit der neuen Abgabe, auch CBAM genannt, wurde eine neue klimapolitische Ära in Brüssel besiegelt. Die Klimapolitik wird im Rahmen des «Green Deal» mit industrie- und wirtschaftspolitischen Interessen verknüpft.

In Dubai wurde derweil deutlich, dass die künftige Wettbewerbsfähigkeit in einer klimafreundlichen Welt nicht nur für europäische Wirtschaftsmächte ein grosses Anliegen ist, sondern auch für die aufstrebenden Schwellenländer. Dazu gehören allen voran Brasilien und China, die ihren Unmut während der zweiwöchigen Verhandlungen immer wieder geäussert haben.

Grüne Wettbewerbsfähigkeit

Schon vor dem ersten Tag der Konferenz hatte die sogenannte Basic-Ländergruppe, zu der Indien, Brasilien, China und Südafrika gehören, versucht, das Thema auf der offiziellen Agenda zu platzieren. Man sei über «einseitige Handelsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den potenziell nachteiligen Auswirkungen auf eine gerechte Energiewende» besorgt. Einseitige Zwangsmassnahmen stellten eine «verschleierte Beschränkung des internationalen Handels» dar, hiess es in der Stellungnahme. Gemeint ist damit natürlich der EU-Klimazoll.

Der Ärger der Länder schwelt, seitdem die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen die Idee im Jahr 2019 aufgebracht hat. Denn der Klimazoll soll sicherstellen, dass sich die energiehungrige und emissionsreiche Schwerindustrie in der EU nicht in «laxere Regionen» aufmacht – also ohne CO2-Preise und Umweltauflagen, die es für die europäische Industrie im Vergleich teurer und aufwendiger macht. So betrifft der Klimazoll unter anderem Eisen und Stahl, Zement, Düngemittel, Aluminium, Strom und Wasserstoff. Weitere Produkte könnten in den kommenden Jahren dazukommen.

Konkret werden Unternehmen bei der Einfuhr der betroffenen Produkte eine Abgabe entrichten müssen, welche die Kosten durch den Preis im EU-Emissionshandel spiegelt. In der vergangenen Woche lag dieser zwischen 70 und 80 Euro. Ab 2026 soll der Zoll zu greifen beginnen, bis Mitte der 2030er Jahre wird er dann schrittweise erhöht. Länder, die einen entsprechenden CO2-Preis und Emissionsstandards vorweisen können, sind von den Auflagen befreit.

CBAM zeigt somit auch: Statt dass man den Rest der Welt mit Argumenten allein für den Klimaschutz überzeugt, kommt jetzt Zwang in Form eines Zolls hinzu. «CBAM wurde notwendig, weil die EU es mit ihrem Ziel der Klimaneutralität ernst meint», sagte auch Geneviève Pons vom Jacques Delors Institute in Dubai.

Neue Herausforderungen für die Klima- und Handelsagenda

Für Pascal Lamy liegt das Problem dabei auf der Hand: Das Pariser Klimaabkommen überlässt es jedem Land, seine klimapolitischen Instrumente zu gestalten, um die benötigten Emissionsminderungen anzustossen. «Das führt unweigerlich zu Reibungen», sagte der ehemalige französische Generaldirektor der Welthandelsorganisation in Dubai. Das ist besonders der Fall, wenn die Folgen politischer Instrumente über die Grenzen hinaus wirken.

Der Brüsseler Klimazoll ist hierfür ein Paradebeispiel. Die EU setzt auf die CO2-Bepreisung und den Emissionshandel als ein Schlüsselinstrument in ihrem Bemühen, den Anteil von fossilen Brennstoffen in der Energie- und Industriebranche sowie im Transportsektor bis 2050 drastisch zu reduzieren. Das gilt aber nicht für die meisten Handelspartner. Die USA etwa setzen mit der Inflation Reduction Act auf Subventionen und Steueranreize.

Mit CBAM sollen andere Handelspartner dazu veranlasst, wenn nicht gezwungen werden, in der Klimapolitik und bei der CO2-Bepreisung aufzuholen. Das sei im Sinne der europäischen Klimaziele folgerichtig, sagt Lamy. «Wenn die EU ihre Wirtschaft entkarbonisieren will, muss sie ihren CO2-Preis anheben», sagt er. «Wenn man aber gleichzeitig Importe ohne einen CO2-Preis zulässt, schafft man Anreize für die Verlagerung der Industrie – und die Auswirkungen auf die Umwelt sind gleich null.»

Europäische Diplomaten und Politiker weisen in Gesprächen entsprechend darauf hin, dass CBAM als Druckmittel bereits eine gewisse Wirkung entfalte. So arbeite Indien etwa daran, seine Stahlproduktion grüner zu gestalten, und auch andere Länder in der europäischen Nachbarschaft würden ihre klimapolitischen Massnahmen anpassen, heisst es in Dubai.

Dass Veränderungen mit dem Klimazoll angestossen werden, mag stimmen. Sympathiepunkte bringt es der EU derweil nicht ein, das geben auch europäische Verhandler zu. In Dubai zeigte sich das deutlich. Viele Länder lassen sich ungern ungefragt zu politischen Massnahmen zwingen. Instrumente wie CBAM strapazieren dabei das sehr brüchige Vertrauensband zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. In den Klimaverhandlungen ist ein gewisses Mass an gegenseitigem Vertrauen jedoch ausschlaggebend, um gemeinsame Entscheide treffen zu können.

Analytiker und Diplomaten sagen derweil, dass der Unmut aufseiten vieler Entwicklungsländer weniger damit zu tun habe, dass Länder ihre Emissionen nicht reduzieren wollten. Vielmehr ginge es um die fehlende Unterstützung für die betroffenen Märkte, die Entkarbonisierung anzukurbeln. CBAM werde sich nicht nur auf die grossen Schwellenländer, etwa Brasilien und China, sondern auch auf kleinere Entwicklungsländer auswirken, sagt Sandra Guzman von der zivilgesellschaftlichen Initiative The Climate Finance Group for Latin America and the Caribbean: «Das ist nicht fair.»

Die Energiewende erfordert Geld und Technologien

Dabei ist Geld ein wunder und altbekannter Punkt. Die Einnahmen durch den Klimazoll würden Entwicklungsländern nicht zugutekommen, beklagte ein ägyptischer Diplomat im vertraulichen Gespräch. Betroffene Länder, die mit ihrer eigenen wirtschaftlichen Entwicklung zu kämpfen hätten, würden stattdessen zusätzlichen Kosten ausgesetzt sein und die europäische Energiewende mitfinanzieren, so die Kritik.

Auch der Frust zur fehlenden Unterstützung vor Ort ist bekannt. Seit Jahren reiben sich die Klimaverhandlungen an der Forderung vieler Entwicklungsländer, dass reiche Industriestaaten vermehrt Zugang zu klimafreundlichen Technologien gewähren sollten, um Ländern die Energiewende zu erleichtern. «Es ist eine Sache, sich als Land ein Klimaziel und einen Plan zu setzen, und eine andere, Auflagen aufgezwungen zu bekommen, ohne die nötige Unterstützung dafür zu bekommen», kritisierte Sandra Guzman. «Wir stehen erst am Anfang des wirtschaftlichen Umbaus und sind noch nicht am Ziel. CBAM mag gut für die Europäische Union sein, aber nicht für die Entwicklungsländer.»

Diese Debatte wird die kommenden Klimaverhandlungen und internationalen Foren über die WTO hinaus weiter beschäftigen. Am Montag verkündete die britische Regierung ihre eigenen Pläne, ab 2027 einen CO2-Preis auf Importen einzuführen– und somit den grünen Umbau der heimischen Schwerindustrie zu unterstützen.

Importeure von Eisen, Stahl, Aluminium, Keramik und Zement werden sich darauf einstellen müssen, in der Zukunft einen vergleichbaren CO2-Preis zahlen zu müssen, wie er auf den in Grossbritannien hergestellten Waren besteht . Auch für die britische Regierung gilt: Dieser Schritt ist notwendig, damit die eigenen Netto-Null-Klimaziele erreicht werden – und sich heimische Industrien nicht in andere Länder aufmachen, weil es dort klimapolitisch weniger aufwendig ist.

Kalina Oroschakoff, Brüssel/Dubai, «Neue Zürcher Zeitung» (21.12.2023)

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