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Unter Scope-3-Emissionen fallen auch Abgase, die beim Lkw-Transport von Gütern durch Speditionen entstehen. Foto: Adobe Stock

Wirtschaft Partner Inhalt: Boston Consulting Group (BCG)

Der blinde Fleck der Klimastrategie

Die meisten Unternehmen wollen ihre Umweltbilanz aufbessern. Sie übersehen aber den grössten Hebel: die Emissionen ihrer Lieferketten. Eine neue Analyse von BCG und EcoVadis zeigt, wie Firmen ihre Scope-3-Emissionen in den Griff bekommen – und Renditechancen gewinnen.

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Der blinde Fleck der Klimastrategie

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Die Riesenflut in Thailand 2011 hat aller Welt vor Augen geführt, was der Klimawandel bedeuten könnte: Japans Autoriesen Toyota und Honda mussten ihre Produktion teilweise stoppen. Denn in den überfluteten Gebieten sassen mehrere ihrer Schlüsselzulieferer. Dies zeigt: Klimarisiken können Unternehmen schon heute mit Wucht treffen – entlang der ganzen Wertschöpfungskette.

Allein in den letzten 25 Jahren haben klimabedingte Katastrophen bereits zu direkten wirtschaftlichen Verlusten von 3600 Milliarden US-Dollar geführt. Und die Tendenz dürfte ähnlich steigend sein wie das Thermometer: 2024 lagen die globalen Durchschnittstemperaturen erstmals ein Jahr lang über 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau.

Pünktlich zum 30. Klimagipfel im brasilianischen Belém (COP30) ist nun der Carbon Action Report 2025 von EcoVadis und der Boston Consulting Group (BCG) erschienen. Speziell an dieser Studie ist, dass sie die Scope-3-Risiken von Unternehmen unter die Lupe nimmt. Worum geht es?

500-Milliarden-Problem

Die meisten Unternehmen sind sich der Klimarisiken bewusst. Entsprechend haben sie ihre eigenen CO₂-Emissionen gesenkt (Scope 1). Zudem bemühen sie sich, die Scope-2-Emissionen zu drosseln, also Emissionen aus eingekaufter Energie wie Strom, Dampf, Wärme und Kälte. Schlechter sieht es bei den Scope-3-Emissionen aus, wie der Carbon Action Report 2025 offenbart.

Die Scope-3-Emissionen umfassen alle übrigen indirekten Emissionen, die innerhalb der Lieferkette entstehen. 90 Prozent der Unternehmen kennen keine Reduktionsziele für diese vorgelagerten Emissionen. Dabei sind sie im Schnitt 21-mal höher als die direkten Emissionen. Bei den Zahlen handelt es sich nicht um Schätzungen. EcoVadis und BCG haben die Klimadaten von 83 000 Unternehmen analysiert.

Das Ignorieren der Scope-3-Emissionen kommt Unternehmen längerfristig teuer zu stehen, wie der Carbon Action Report 2025 vorrechnet. Bis 2030 dürften daraus Verpflichtungen von mehr als 500 Milliarden Dollar pro Jahr entstehen. Die Hochrechnung basiert auf einem prognostizierten CO₂-Preis von 76 Dollar pro Tonne, angelehnt ans Emissionshandelssystem der EU. «Bei grossen Unternehmen aus dem Börsenbarometer S&P 500 sind 15 bis 20 Prozent ihres Betriebsgewinns (Ebit) gefährdet», erklärt Monika Saunders, Managing Director und Partner von BCG in Zürich.

Monika Saunders

«Bei grossen Unternehmen sind 15 bis 20 Prozent des Betriebsgewinns gefährdet.»

Monika Saunders

Managing Director und Partner von BCG in Zürich

Fünf Massnahmen

Wie können sich Unternehmen vor den Risiken schützen? Der Carbon Action Report 2025 schlägt fünf Massnahmen vor, die intuitiv einleuchten. «Ein regelrechter Quick Win liegt darin, die Lieferantenemissionen systematisch zu erfassen», erklärt Saunders.

In einem ersten Schritt gilt es also, die Lieferanten einzubinden, um die Transparenz in der Lieferkette zu erhöhen und die Klimarisiken zu mindern. Bisher macht das nur jedes dritte Unternehmen – wobei nur 4 von 100 echte Partnerschaften eingehen.

Die gute Nachricht: 50 Prozent der Lieferantenemissionen lassen sich kostenneutral reduzieren, denn die Ausgaben dafür dürften deutlich unter dem EU-Preis pro Tonne CO₂ liegen. «Für Unternehmen, die ihre Lieferanten einbinden, ist es neunmal wahrscheinlicher, dass sie ein gesetztes Scope-3-Ziel auch erreichen», weiss Saunders. Und Investitionen in die Dekarbonisierung der Lieferkette können – wiederum basierend auf den künftigen CO₂-Preisen – einen drei- bis sechsfachen Return on Investment (ROI) erzielen.

Ausserdem empfiehlt der Report, die Ergebnisse bis auf die Produktebene hin-unter nach führenden Reporting-Standards zu messen und ein Klima-Führungsteam mit klaren Verantwortlichkeiten aufzubauen. Beides vervierfacht die Wahrscheinlichkeit, ein Scope-3-Ziel zu schaffen. «Schliesslich gehört es dazu, Budgets für die Dekarbonisierung bereitzustellen», sagt Saunders. Damit verdoppelt sich die Chance, dass die Pläne auch Frucht bringen.

Die ersten Schritte

Wie sollten Unternehmen loslegen? Weil der wirksamste Hebel bei den Lieferanten liegt, empfehlen EcoVadis und BCG ein dreistufiges Vorgehen: erstens die Lieferantenemissionen ermitteln, zweitens die Lieferanten auch nach Klimarisiken priorisieren und drittens sie schulen und Partnerschaften anbieten.

Wer seine Hausaufgaben heute erledigt, ist morgen nicht nur besser vor Produktionsausfällen geschützt, wie sie einst Toyota und Honda erlebten, sondern auch vor hohen CO₂-Rechnungen.


«Wer vorangeht, profitiert von besseren Finanzierungskonditionen»

Schweizer Unternehmen gelten als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Doch bei den CO₂-Emissionen ihrer Lieferanten haben auch sie noch Nachholbedarf, wie Monika Saunders, Managing Director und Partner von BCG in Zürich, erklärt.

Frau Saunders, was hat Sie im neusten Carbon Action Report 2025 am meisten überrascht?

Die Kluft zwischen Bewusstsein und tatsächlicher Umsetzung. Obwohl die meisten Unternehmen Scope-3-Emissionen als Problem erkennen, haben über 90 Prozent noch immer keine Reduktionsziele. Ermutigend finde ich, dass sich Investitionen in Klimamassnahmen auszahlen: Der Return on Investment (ROI) kann bis zum Sechs-fachen betragen. Immer mehr Unternehmen beginnen, ihre Lieferanten aktiv einzubeziehen – und das ist der entscheidende Hebel für eine wirksame Dekarbonisierung.

Der Carbon Action Report 2025 geht von steigenden CO₂-Preisen aus. Wie realistisch ist das?

Sehr realistisch. Die Europäische Union plant bis 2030 CO₂-Preise von über 120 US-Dollar pro Tonne. Und durch Mechanismen wie CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) wird die Verlagerung von Emissionen in Länder mit schwächeren Klimaauflagen (Carbon Leakage) zunehmend verhindert. Die Märkte preisen CO₂ zunehmend in die Unternehmensbewertungen ein. Unternehmen sollten nicht von einem kurzfristigen Phänomen ausgehen, sondern sich auf den Wandel einstellen.

Wie stehen Schweizer Unternehmen da?

Schweizer Unternehmen verfügen über starke Nachhaltigkeitsstrategien, weisen aber ebenfalls Lücken beim Management der Emissionen in ihren Lieferketten auf. Zugleich nimmt der regulatorische Druck spürbar zu. Neue Vorgaben wie das CO₂-Gesetz und europäische Regulierungen wie CBAM und CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) werden auch Schweizer Unternehmen direkt betreffen. Wer sich frühzeitig vorbereitet, verschafft sich klare Wettbewerbsvorteile.

Wieso blenden die meisten Unternehmen ihre Lieferketten bei den CO₂-Emissionen aus?

Zum einen haben sich viele Unternehmen bislang auf Scope 1 und 2 konzentriert, weil diese Bereiche direkt kontrollierbar sind. Scope 3 ist wesentlich komplexer: Es geht um Tausende von Lieferanten und häufig um fehlende Datentransparenz.

Fehlen auch ökonomische Anreize?

Ja, aber das beginnt sich jedoch zu verändern. Steigende CO₂-Kosten, wachsende Anforderungen von Investoren und strengere ESG-Ratings machen Scope 3 zunehmend finanziell relevant. Unternehmen, die aktiv vorangehen, reduzieren ihr Risiko und profitieren von besseren Finanzierungskonditionen. Gemäss unserem Report können die durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) um bis zu 1,3 Prozentpunkte sinken.

Der Carbon Action Report 2025 schlägt vor, das Lieferantenmanagement zu optimieren. Kennen Sie Unternehmen, die diesen Weg vorbildlich optimieren?

Ja. Entscheidend ist, Lieferanten in strukturierte und langfristige Prozesse einzubinden, um Scope-3-Emissionen wirksam zu reduzieren. Ein europäischer Lkw-Hersteller hat dafür 50 konkrete Hebel definiert, mit denen sich CO₂-Reduktionen vorantreiben lassen. Das Unternehmen führt zielorientierte Gespräche mit seinen Lieferanten, um gemeinsame Beiträge festzulegen. Die Massnahmen werden systematisch nachverfolgt, die Fortschritte gemessen und in regelmässigen Gesprächen gemeinsam erneuert. Diese Art der strukturierten Zusammenarbeit ist entscheidend für nachhaltigen Erfolg.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von BCG (Boston Consulting Group) erstellt.

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