«Wer vorangeht, profitiert von besseren Finanzierungskonditionen»
Schweizer Unternehmen gelten als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Doch bei den CO₂-Emissionen ihrer Lieferanten haben auch sie noch Nachholbedarf, wie Monika Saunders, Managing Director und Partner von BCG in Zürich, erklärt.
Frau Saunders, was hat Sie im neusten Carbon Action Report 2025 am meisten überrascht?
Die Kluft zwischen Bewusstsein und tatsächlicher Umsetzung. Obwohl die meisten Unternehmen Scope-3-Emissionen als Problem erkennen, haben über 90 Prozent noch immer keine Reduktionsziele. Ermutigend finde ich, dass sich Investitionen in Klimamassnahmen auszahlen: Der Return on Investment (ROI) kann bis zum Sechs-fachen betragen. Immer mehr Unternehmen beginnen, ihre Lieferanten aktiv einzubeziehen – und das ist der entscheidende Hebel für eine wirksame Dekarbonisierung.
Der Carbon Action Report 2025 geht von steigenden CO₂-Preisen aus. Wie realistisch ist das?
Sehr realistisch. Die Europäische Union plant bis 2030 CO₂-Preise von über 120 US-Dollar pro Tonne. Und durch Mechanismen wie CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) wird die Verlagerung von Emissionen in Länder mit schwächeren Klimaauflagen (Carbon Leakage) zunehmend verhindert. Die Märkte preisen CO₂ zunehmend in die Unternehmensbewertungen ein. Unternehmen sollten nicht von einem kurzfristigen Phänomen ausgehen, sondern sich auf den Wandel einstellen.
Wie stehen Schweizer Unternehmen da?
Schweizer Unternehmen verfügen über starke Nachhaltigkeitsstrategien, weisen aber ebenfalls Lücken beim Management der Emissionen in ihren Lieferketten auf. Zugleich nimmt der regulatorische Druck spürbar zu. Neue Vorgaben wie das CO₂-Gesetz und europäische Regulierungen wie CBAM und CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) werden auch Schweizer Unternehmen direkt betreffen. Wer sich frühzeitig vorbereitet, verschafft sich klare Wettbewerbsvorteile.
Wieso blenden die meisten Unternehmen ihre Lieferketten bei den CO₂-Emissionen aus?
Zum einen haben sich viele Unternehmen bislang auf Scope 1 und 2 konzentriert, weil diese Bereiche direkt kontrollierbar sind. Scope 3 ist wesentlich komplexer: Es geht um Tausende von Lieferanten und häufig um fehlende Datentransparenz.
Fehlen auch ökonomische Anreize?
Ja, aber das beginnt sich jedoch zu verändern. Steigende CO₂-Kosten, wachsende Anforderungen von Investoren und strengere ESG-Ratings machen Scope 3 zunehmend finanziell relevant. Unternehmen, die aktiv vorangehen, reduzieren ihr Risiko und profitieren von besseren Finanzierungskonditionen. Gemäss unserem Report können die durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) um bis zu 1,3 Prozentpunkte sinken.
Der Carbon Action Report 2025 schlägt vor, das Lieferantenmanagement zu optimieren. Kennen Sie Unternehmen, die diesen Weg vorbildlich optimieren?
Ja. Entscheidend ist, Lieferanten in strukturierte und langfristige Prozesse einzubinden, um Scope-3-Emissionen wirksam zu reduzieren. Ein europäischer Lkw-Hersteller hat dafür 50 konkrete Hebel definiert, mit denen sich CO₂-Reduktionen vorantreiben lassen. Das Unternehmen führt zielorientierte Gespräche mit seinen Lieferanten, um gemeinsame Beiträge festzulegen. Die Massnahmen werden systematisch nachverfolgt, die Fortschritte gemessen und in regelmässigen Gesprächen gemeinsam erneuert. Diese Art der strukturierten Zusammenarbeit ist entscheidend für nachhaltigen Erfolg.