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Die brasilianische Regierung geht gegen illegale Minen auf indigenem Land im Amazonas vor, um die Entwaldung zu bremsen.
Die brasilianische Regierung geht gegen illegale Minen auf indigenem Land im Amazonas vor, um die Entwaldung zu bremsen.

Die brasilianische Regierung geht gegen illegale Minen auf indigenem Land im Amazonas vor, um die Entwaldung zu bremsen. Ueslei Marcelino / Reuters

Klima & Energie

Brasilien will den Schutz des Regenwalds zum Geschäft machen

Ein neuer Fonds soll mithilfe von Geldern von Staaten und privaten Investoren den Schutz des Regenwalds wirtschaftlich attraktiv machen: Durchbruch oder riskantes Experiment?

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Brasilien will den Schutz des Regenwalds zum Geschäft machen

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Der Ort könnte nicht passender sein: In der Stadt Belém, direkt an der Amazonasmündung, hat die brasilianische Regierung ein neues Instrument vorgestellt, um die Regenwälder der Welt besser zu schützen – pünktlich zu Beginn der Uno-Klimakonferenz vergangene Woche.

Das Amazonasgebiet ist ein Hotspot der Entwaldung. Das ist ein Problem für das Klima – weit über Brasiliens Grenzen hinaus. Die brasilianische Regierung hat nun einen Plan entwickelt, um Milliarden für den Waldschutz zu mobilisieren und diesen auch für Banken und Unternehmen lukrativ zu machen.

Seit der Ankündigung an der COP-30-Klimakonferenz haben 34 Tropenwald-Staaten ihre Unterstützung für den Plan bekundet, fast alle sind Entwicklungsländer mit tropischen Waldflächen. Aber auch Industriestaaten sind an Bord. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im deutschen Umweltministerium, lobte den brasilianischen Vorstoss kürzlich bei einer Uno-Anhörung als eine «bahnbrechende Initiative».

Brasilien hat seinen Plan «Fazilität für den dauerhaften Erhalt tropischer Wälder» getauft, abgekürzt TFFF (von Tropical Forest Forever Facility). Neu am Fonds ist, dass die Investoren – darunter Staaten, institutionelle Anleger wie Versicherungen und private Anleger – Zinsen auf ihre Einlagen erhalten. Diese Zinsen kommen nicht nur den Einzahlern zugute, sondern auch denjenigen Staaten, die ihren Regenwald schützen. Wer seinen Wald stehen lässt, wird bezahlt, wer ihn zerstört, bekommt kein Geld.

Die Gelder sind also keine staatlichen Umwelthilfen oder Schenkungen für den Regenwald. Es sind Investitionen, die einen Gewinn generieren – und teilweise für den guten Zweck des Regenwaldschutzes verwendet werden. So steht es jedenfalls auf dem Papier.

Der Druck auf Deutschland nimmt zu

Der brasilianische Finanzminister Fernando Haddad hofft, dass innerhalb eines Jahres mindestens 10 Milliarden Dollar investiert werden. Bisher sind 5,5 Milliarden zusammengekommen. Norwegen will 3 Milliarden Dollar beisteuern. Brasilien und Indonesien sind mit jeweils einer Milliarde Dollar dabei, Frankreich mit 500 Millionen Dollar. Deutschland hat gestern angekündigt, eine Milliarde Euro bereitzustellen.

Andre Coelho / EPA

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva stellt den neuen Waldschutzfonds an der COP-30-Klimakonferenz vor.

«Das politische Signal durch die deutsche Unterstützung für den TFFF kann helfen, die COP-30 in Brasilien zum Erfolg zu bringen», erklärte Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland. «Die Ankündigung kommt zum richtigen Zeitpunkt», sagte Ute Sudmann von Germanwatch. Damit werde eine «Dynamik» für den weiteren Aufbau des Fonds geschaffen. Deutschland wird mit der Investition zudem einen Sitz im Verwaltungsrat erhalten – was mehr Einfluss auf den Fonds bedeutet.

Das ist wichtig, denn viele Einzelheiten zur Organisation des Fonds, den die Weltbank als Treuhänderin und vorläufiges Sekretariat führen wird, sind noch nicht geklärt. Noch ist völlig offen, ob der Waldschutzfonds zu einem Erfolg wird oder lautlos verpufft.

Ist der Waldschutz ein Geschäft?

Denn dafür müssen erst einmal genügend private Investoren gefunden werden, die von dem Instrument überzeugt sind. Wenn genug Geld von Staaten fliesst, so die Hoffnung, werden auch private Investoren aufspringen. Brasiliens Regierung hat die Messlatte dabei hoch gelegt: In einigen Jahren will Brasilien 25 Milliarden Dollar von den Staaten als Einlagekapital erhalten. Von privaten Investoren soll es um weitere 100 Milliarden aufgestockt werden. Auch wenn es schon Ankündigungen durch Regierungen gab, fehlen noch einige Schwergewichte.

China, der grösste Verschmutzer und die zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Welt, hat beispielsweise keine Einzahlung angekündigt. Aber Brasilien setzt Hoffnungen auf die New Development Bank der sogenannten Brics-Staaten, also des Klubs der aufstrebenden Wirtschaftsmächte, zu dem sowohl Brasilien als auch China gehören. Sie wird von der brasilianischen Ex-Präsidentin Dilma Rousseff geführt.

In den nächsten Monaten seien keine Zusagen von privaten Sponsoren zu erwarten, sagt derweil Winston Fritsch, ehemaliger Staatssekretär im brasilianischen Finanzministerium. Private Investoren wie Banken, Versicherungen oder Investmentfonds seien noch gar nicht offiziell über die Struktur und die Details der Bedingungen informiert worden. Geplant sei eine mögliche Präsentation durch die Weltbank beim WEF-Treffen in Davos im Januar nächsten Jahres.

Der Erfolg des Fonds ist an volatile Finanzmärkte gekoppelt

Private Investoren werden sich den Mechanismus genau erklären lassen – denn er birgt einige Risiken. So ist der Erfolg direkt an die weltweiten Finanzmärkte gekoppelt. Die Staaten und privaten Investoren werden mit jenem Zinssatz belohnt, den sie in diesem Zeitraum für die sichersten Anleihen auf dem Markt erhalten würden. Im Moment wären das knapp 5 Prozent Zinsen pro Jahr.

Die in den Fonds eingezahlten Gelder werden jedoch in Schwellenmarktanleihen mit einem höheren Ausfallrisiko angelegt, für die es derzeit 8 Prozent Zinsen gibt. Aus dieser Zinsdifferenz von 3 Prozentpunkten würden Zahlungen an die tropischen Staaten für den Erhalt des Regenwaldes erfolgen. Das ist jedenfalls die Rechnung. Schätzungsweise 4 Milliarden Dollar pro Jahr soll der Fonds so für den Schutz bereitstellen können, wenn er die 125-Milliarden-Zielmarke erreicht hat.

Der deutsche Ökonom Max Alexander Matthey hält den Regenwaldfonds-Plan für «brandgefährlich». Es handele sich um ein Hochrisiko-Portfolio, das als innovatives Klima-Finanzierungsinstrument getarnt sei. «Solange nichts schiefläuft, wirkt es wie ein Win-win-Geschäft», sagt Matthey. «Doch der erste Zahlungsausfall kann die gesamte Konstruktion ins Wanken bringen.» Kommt es zu einer weltweiten Finanzkrise wie 2008, könnten die Zahlungen auf das Einlagekapital ausbleiben – möglicherweise für mehrere Jahre.

Die Experten des Center for Global Development, eines renommierten Entwicklungs-Think-Tanks in Washington, sehen das anders: Die finanziellen Risiken seien begrenzt. Das Risiko, dass der Fonds pleitegehe, weil Anleger ihr Geld zurückwollten, sei gering. Ein Beispiel: «Wäre der Fonds beispielsweise 2007 eingerichtet worden, hätte er im Verlauf der Finanzkrise bis 2009 etwa 25 Prozent seines Wertes verloren. Er hätte jedoch weiterhin über ausreichende Mittel verfügt, um die erforderlichen Zinszahlungen zu leisten. Bis 2012 hätte sich der Fonds vollständig erholt und bis 2015 eine Rendite von 30 Prozent für die Waldländer erzielt.»

Andre Penner / AP

Die Klimaverhandlungen treffen auf Demonstrationen von Aktivisten und indigenen Völkern, die mehr Waldschutz und Klimaschutz fordern.

Steuerzahler nehmen privaten Investoren das Risiko ab

Für den Fall eines Crashs ist genau vorgegeben, in welcher Reihenfolge jeder Gläubiger sein Geld zurückbekäme: Zunächst würden die Zahlungen an die Regenwaldschützer gestoppt. Dann würden die 25 Milliarden Dollar von den Staaten aufgebraucht, und erst dann würde das Geld der privaten Investoren angezapft. Die Steuerzahler mindern also das Risiko für die privaten Investoren.

Bedenklich ist dabei, dass die Regenwaldhilfen im Fall einer Krise zuerst gestoppt würden, wodurch die mühsam aufgebauten Erfolge im Waldschutz abrupt verlorengehen könnten. Zudem scheint die veranschlagte Entschädigung für die Staaten für jede Hektare Regenwald mit derzeit 4 Dollar pro Jahr zu gering, um Menschen davon abzuhalten, den Wald abzubrennen, um das Holz zu verkaufen und Rinder darauf zu halten.

Matthey kritisiert ebenfalls, dass Regierungen ihre Regenwaldhilfe nicht als Ausgaben im Staatsbudget verbuchen können, sondern sie als Investitionen ausweisen müssen. Dadurch werde die Illusion geschaffen, dass Klimafinanzierung ohne Kosten für den Steuerzahler möglich sei. «Doch bei einem Ausfall landet die Rechnung trotzdem beim Staat», sagt er.

Für die Unterstützer ist es dagegen das erste Mal, dass ein Land aus dem globalen Süden ein Instrument vorstellt, das private Investoren für den weltweiten Regenwaldschutz ins Boot holt. Viele frühere Versuche, private Investoren dafür zu gewinnen, waren wenig erfolgreich. Ein Grund ist, dass der Erhalt der Wälder schwer überwacht werden konnte. Unternehmen fürchten, von unseriösen Anbietern über den Tisch gezogen zu werden. Trotz einigen Erfolgen weltweit verschwinden jährlich weiterhin grosse Regenwaldflächen.

Das ändert sich jetzt: Per Satellit ist es heute für jede Behörde möglich, bis auf den Quadratmeter genau festzustellen, ob Wald gerodet, abgebrannt oder geschützt wurde. Viele Finanzierungsmodelle wurden bereits getestet und haben sich in der Praxis des Regenwaldschutzes bewährt. Gegen Korruption wird viel genauer ermittelt als zuvor. Gleichzeitig gibt es für die Anwohner mehr Anreize, den Waldschutz voranzutreiben, indem er zur Einkommensquelle wird: 20 Prozent der Mittel des neuen Fonds sollen an indigene Völker und andere Bewohner des Waldes gehen.

Adriano Machado / Reuters

Brasilianische Polizei und Umweltbeamte gehen im Jahr 2023 gegen eine illegale Goldmine im Urupadi-Nationalpark vor.

Ob der Fonds funktioniert, wird sich erst mit der Zeit zeigen

Die globale Waldschutz-Architektur wurde bisher vor allem von Industriestaaten, der Weltbank, Uno-Organisationen oder EU-Programmen geprägt. Beim TFFF sind nun erstmals auch Entwicklungsländer als Garanten dabei. Das ist ein entscheidender Unterschied. Denn viele Waldschutzpläne scheiterten, weil sich tropische Staaten übergangen fühlten.

Auch der brasilianische Finanzexperte Fritsch findet es «entscheidend», dass der Fonds aufgegleist wurde. Der Anfang sei vielversprechend, sagt er. Doch warnt er vor übermässig optimistischen Erwartungen, der Erfolg werde erst langfristig erkennbar sein.

Wie viele Länder mitmachten, sei letztlich eine politische Frage, sagt auch Arminio Fraga, der ehemalige Zentralbankpräsident Brasiliens und früher Manager von George Soros’ Quantum-Fonds. Derzeit sei es wegen der politischen Lage besonders schwierig, die Investitionen zu erhalten. Aber der Fonds werde kommen, sagt Fraga. «Und er wird wichtig sein.»

Alexander Busch, Salvador, «Neue Zürcher Zeitung» (20.11.2025)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

13 - Massnahmen zum Klimaschutz
15 - Leben an Land

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